die besten bücher 2017

 

 1. Rang

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unterleuten von Juli Zeh, S. 640

 

Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten" irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem unschuldigen und unverdorbenen Leben ausserhalb der Hauptstadthektik zu erfüllen. Doch als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden. Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit grossstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist.

 

Fazit: Für diesen dicken Schmöcker braucht es zwar etwas Geduld, aber das Buch bleibt immer spannend und die Kapitel sind kurz. Gegen Ende des Buches spitzen sich die Ereignisse etwas zu stark zu und wirken etwas skuril. Trotzdem hat mir das Buch sehr gut gefallen. Oft musste ich lachen und den Kopf schütteln.

 

 

 2. Rang

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Autopsie des Vaters von Pascal Kramer, S. 169

 

Ania hat ihren Vater jahrelang kaum gesehen. Da erreicht sie eines Tages ein Anruf seiner neuen Frau: Gabriel hat in der Nacht Selbstmord begangen. Der Freitod scheint im Zusammenhang mit dem Skandal zu stehen, den der als linker Intellektueller bekannte Radiojournalist ausgelöst hat, als er öffentlich Partei für zwei junge Einheimische ergriff, die an seinem Wohnort einen afrikanischen Sans-Papiers brutal ermordet haben.

Als sich Ania zur Beerdigung in der Pariser Peripherie aufmacht, schlägt ihr in dem tief gespaltenen Dorf eine hasserfüllte Atmosphäre entgegen. Aber auch in ihrem alten Elternhaus stösst sie einzig auf Fremdheit und muss sich die Frage stellen, wie es dazu kommen konnte, dass ihr Vater eine solch unerträgliche Wendung vollzog. Pascale Kramer seziert in Autopsie des Vaters ein Land im Kippzustand. Das Skalpell ansetzend, erzählt sie vom Wegschauen, von der Abschottung einer ganzen Gesellschaftsschicht und wirft gleichzeitig ein schmerzhaft klares Licht auf das Innerste einer Familie, die verpasste Verständigung zwischen Vater und Tochter.

 

Fazit: Dieses schmale Buch ist für mich der Hit! Unbedingt lesen und im Radio die Buchbesprechung "52 beste Bücher"vom 3.9.2017 mit Luzia Stettler und Pascale Kramer hören. Dies dauert ca 1 Stunde, ist es aber wert und es werden viele Auszüge aus dem Buch vorgelesen.

 

 

 3. Rang

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geister von Nathan Hill, S. 864 *

 

Ein Anruf der Anwaltskanzlei Rogers & Rogers verändert schlagartig das Leben des Literaturprofessors Samuel Anderson. Er, der als Kind von seiner Mutter verlassen wurde, soll nun für sie bürgen: Nach ihrem tätlichen Angriff auf einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten verlangt man von ihm, die Integrität einer Frau zu bezeugen, die er seit mehr als zwanzig Jahren nicht gesehen hat. Ein Gedanke, der ihm zunächst völlig abwegig erscheint. Doch Samuel will auch endlich begreifen, was damals wirklich geschehen ist. Ein allumfassender, mitreissender Roman über Liebe, Unabhängigkeit, Verrat und die lebenslange Hoffnung auf Erlösung, ein Familienroman und zugleich eine pointierte Gesellschaftsgeschichte von den Chicagoer Aufständen 1968 bis zu Occupy Wall Street.

 

Fazit: Dieser dicke Schmöcker braucht am Anfang etwas Geduld, bis man die verschiedenen Stränge zusammen-bringt. Aber es lohnt sich, vorallem die ersten 100 Seiten aufmerksam zu lesen, in denen manches etwas langfädig wirkt. Aber danach bekommt dieses Buch Sogwirkung und man kann es nicht mehr auf die Seite legen. 

 

 

 4. Rang

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Nest von Cynthia d'Aprix Sweeney,*

 

Melody, Jack, Bea und Leo sind Geschwister. Sie sind in ihren Vierzigern, stehen mitten im Leben und sie haben immer gewusst, sie würden eines Tages erben. Aber was, wenn die Erbschaft ausbleibt? Ein warmherziger, humorvoller und scharfsinniger Roman darüber, wie der Kampf ums Geld Lebensentwürfe und Familien durcheinanderbringen kann. Als Kinder haben sie einander geneckt, als Erwachsene verbindet die Geschwister Melody, Jack, Beatrice und Leo Plumb nur noch eine gemeinsame Erbschaft. Mitten in der Finanzkrise brauchen alle dringend Geld. Doch kurz bevor das Erbe ausbezahlt wird, verwendet ihre Mutter es, um Playboy Leo aus einer Notlage zu helfen. Unfreiwillig wiedervereint, müssen die Geschwister sich mit altem Groll und falschen Gewissheiten auseinandersetzen. Aber vor allem müssen sie irgendwo frisches Geld auf-treiben. Ein meisterhaft erzählter, böser und witziger Familienroman »Ein Roman wie gute dunkle Schokolade: elegant und bittersüss, so köstlich, dass man ihn in einer Nacht verschlingt."

 

Fazit: Cynthia D'Aprix Sweeneys viel gelobte und wunder-bare Familiensaga wandelt zwischen Komödie und Tragödie und ist ein genaues Gesellschaftsporträt postkapitalistischer Tage. Ein hinreissender und kluger Familienroman. Hat mir sehr gut gefallen, glänzende Unterhaltung.

 

 5. Rang

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gott ist nicht schüchtern vom Olga Grjasnowa *

 

Das ist der Roman der Stunde. Ein Buch über zwei junge Menschen aus Syrien, deren Leben durch Revolution, Bürgerkrieg und Flucht umgewälzt wird: Amal, die junge Schauspielerin, und Hammoudi, der angehende Arzt. Sie sind beide nicht sonderlich an Politik interessiert, aber danach fragt niemand, wenn ein Land im Chaos versinkt. Beider Wege trennen sich, ein Frachtschiff soll sie, ein Schlauchboot ihn nach Europa bringen – erst in Berlin sehen sich wieder. Und fangen – irgendwie – ein neues Leben an.

Olga Grjasnowa, die aus Aserbaidschan nach Deutschland gekommen und mit einem Syrer verheiratet ist, hat eine erschütternde Fluchtgeschichte geschrieben, die uns mehr abverlangt als die Schlagzeilen aus der Zeitung. Als Hammoudi ins überladene Schlauchboot steigt, sagt ein kleiner Junge: "Weißt du, es ist nicht schlimm, wenn wir sterben, ich will nur nicht zurück."

 

Fazit: Dieses Buch beschreibt in starken Bildern, den sinnlosen Krieg in Syrien, sowie das Flüchtlingselend des Syrischen Krieges und braucht darum auch starke Nerven. Ein Buch aus unserer Zeit, das mich sehr beeindruck hat und das man gelesen haben muss.

 

 

 

* Bücher mit gelbem Stern sind aus der Bibliothek 

 

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Die Länderflaggen beziehen sich auf die Herkunft des Autors/der Autorin.

Seit 26.05.2016

Überarbeitet Februar 2018