empfehlungen 2025
schweizer autoren
Schweizer Literatur
Carlas Scherben
von Frédéric Zwicker, S 192
Nach dem Tod ihrer Grossmutter Lili findet die Keramikkünstlerin Carla in deren Nachlass einen Schuhkarton mit Liebesbriefen. Ihr Grossvater Paul hat sie 1943 an Lili geschrieben. Eigentlich sollte Carla an einer Installation für die Hamburger Kunsthalle arbeiten. Doch in Pauls Briefen und in Gesprächen mit ihrer Mutter Larry tun sich ungeahnte Abgründe in der Familiengeschichte auf. Paul ist seit vielen Jahren tot. Aber er bestimmt die Familiengeschicke noch immer, wie Carla feststellt: «Du hattest deine Finger im Spiel, nicht nur bei meiner Arbeit, sondern auch in meinem Privatleben, du Puppenspieler, du Geist, du Wiedergänger.» Und als sie sich mit dem Äthiopier Dawit anfreundet, muss sie sich fragen, wie weit der Einfluss ihres Grossvaters tatsächlich reicht. Frédéric Zwicker erzählt einfühlsam, originell und bissig aus einem turbulenten Jahr der Künstlerin Carla. Der Roman richtet dabei den Blick auf drei Frauengenerationen im Wandel eines bewegten Jahrhunderts und schlägt einen Bogen von der Schweizer Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg bis hin zu den Migrationsbewegungen der Gegenwart.
Schweizer Literatur
Affezang
von Stef Stauffer, S 190
Es ist Zeit für die letzte Reise. Die zweitletzte, würden andere die furchtlose Protagonistin korrigieren. Dass diese ausgerechnet nach Barcelona führen soll, ist zweitrangig, Hauptsache, sie führt zu den Wurzeln. Und noch wichtiger ist, dass man mit dem Tesla fährt. Schliesslich ist er der Grund, warum man noch so mobil ist im Alter. Im Alter der dritten Zähne, der Inkontinenz und der Vergesslichkeit, der Schwerhörigkeit, des Rheumas und im schwindenden Kreis der Freundinnen. Doch dies alles ist kein Grund, dem Leben nicht weiterhin die Stirn zu bieten. Mit ihrer Reise nach Spanien verabschiedet sich die lebenserfahrene Frau laut und weise auf ihre unverkennbar schlagfertige Art und lässt die Leserschaft nicht allein, sondern mit einem Lächeln im Gesicht zurück.
Schweizer Literatur
Grossmütter
von Melara Mvogdobo, S 128
Ein souverän erzählter, verblüffender Roman über zwei Frauen aus verschiedenen Kontinenten, die sich beide auf abenteuerliche Weise aus ihrem vermeintlich unabänderlichen Schicksal lösen. Dieser Roman handelt von zwei Grossmüttern, die eine aus einer armen Schweizer Bauernfamilie, die andere aus einer relativ wohlhabenden Familie in Kamerun. In einer unglaublich knappen, wie gemeisselten Sprache geht es um deren Kindheit, Hoffnungen und Enttäuschungen. Sie heiraten, werden gedemütigt und entwürdigt. Aber durch diese Erfahrungen staut sich eine gewaltige Wut auf, die schliesslich, auch mit Hilfe der jeweiligen Enkeltöchter, zu ihrer Befreiung führt.
Schweizer Literatur
Wie ein Mann nichts tat und die Welt rettete
von Lukas Maisel, S 128
Wie ein Mann nichts tat – und so den Dritten Weltkrieg verhinderte: Sowjetunion, 1983. Stanislaw Petrow lebt ein beschauliches Leben mit seiner Frau Raisa und den beiden Kindern Jelena und Dimitri. Jeder Tag folgt derselben Ordnung. Arbeit, Schule, Piroschk mit Pilzen zum Abendessen. Was ihr «Stasik» den ganzen Tag bei der Arbeit genau macht, weiss seine Familie jedoch nicht. Eine streng geheime Tätigkeit in einem geheimen Städtchen. Eines Nachts übernimmt Petrow die Schichtleitung für einen erkrankten Kollegen – und wird bei seiner Rückkehr nicht mehr derselbe sein. In einer scheinbar normalen Nacht im Jahr 1983 hat Stanislaw Petrow über das Schicksal der ganzen Welt entschieden. Lukas Maisel führt uns mit seinem neuen Roman in die Zeit des Kalten Krieges, in der ein Fehlalarm des atomaren Abwehrsystems fast einen Dritten Weltkrieg ausgelöst hätte. In seiner unverwechselbar eleganten Prosa erzählt er von Zufall und Schicksal – von einer historischen Begebenheit, die gespenstisch aktuell ist.