empfehlungen schweizer autoren 2024

 

 

Schweizer Literatur

Ferrymont

von Lorena Sommer, S 199 

 

Als ihr in Berlin das Geld für ihr Studium ausgeht, reist die junge Ich-Erzählerin in ihr Heimatdorf Ferymont in der Schweiz, um dort für eine Saison als land-wirtschaftliche Hilfskraft zu arbeiten. Beim Einsatz auf den Feldern freundet sie sich mit Daria an, die mit ihrer Familie jährlich aus der Republik Moldau anreist, um in den Betrieben des Schweizer Seelands Geld als Saisonkraft zu verdienen. Durch die entstandene Nähe zwischen den beiden jungen Frauen rückt auch das Ungleichgewicht zwischen den west- und osteuropäischen Regionen in den Fokus. »Ferymont« ist ein literarisches Porträt einer Region im Herzen Europas, das eine oft unsichtbare Realität thematisiert. Ein leiser Roman, der sprachlich virtuos kapitalistische Arbeitsbedingungen hinterfragt und sensibel die Geschichten von Saisonarbeiter*innen in den Mittelpunkt stellt. 

 

 

Schweizer Literatur

Lil

von Markus Gasser, S 238 

 

Eine furchtlose Frau nimmt den Kampf auf - gegen eine Gesellschaft, die sie Kleinkriegen will. Die brillante Unternehmerin Lillian Cutting ist so erfolgreich und unabhängig, wie es eine Frau um 1880 nur sein kann. Auf ihrem eigensinnigen Weg nach oben hat sie gegen alle gesellschaftlichen Konventionen verstossen und ganz New York gegen sich aufgebracht. Dort ist man sich einig: Diese Frau muss verschwinden. Ein für alle Mal. Koste es, was es wolle. Dabei hätten alle damit rechnen können, dass Lil ihre Freiheit, ihre Würde und ihr Vermögen niemals opfern würde. Und als es so weit kommt, dass es um ihr nacktes Überleben geht, dreht "Lil the Kill" den Spiess um. Sie ist eine Ausnahmeerscheinung im New York um 1880, nicht nur unter den herrschenden Familien der Stadt, den Belmorals und Vandermeers: Lange Zeit hat die Eisenbahnmagnatin Lillian Cutting, an der Seite ihres loyalen Mannes Chev, mit ihrem exzentrischen Führungsstil noch die kühnsten Spekulanten überflügelt. Und sich mächtige Feinde gemacht. So scheint es ihrem Sohn Robert nach Chevs Tod ein Leichtes, Lillian mit Hilfe eines sendungsbewussten Psychiaters zu entmündigen und in eine geschlossene Anstalt wegsperren zu lassen. Aber Lil nimmt den Kampf auf - gegen eine Gesellschaft, die Eigensinn als Krankheit denunziert. Rasant, komisch und unerschrocken schildert Markus Gasser, wie eine furchtlose Frau an ihren hochmütigen Peinigern fantasievoll Rache nimmt. «Lil» ist eine universelle Geschichte voller Zorn und Trost über die Jagd nach dem grossen Geld, listige Söhne und unversöhnliche Töchter, das Recht auf den eigenen Lebensentwurf und über Machtkämpfe, wie wir sie heute noch führen - erzählt von Lils Nachfahrin Sarah, die mit den verfänglichen Methoden der Psychiatrie noch eine ganz persönliche Rechnung offen hat.

 

 

Schweizer Literatur

Das kleine Haus am Sonnenhang

von Alex Capus, S 160

 

Eine kleine Philosophie der Gelassenheit und des stillen Glücks: Alex Capus erzählt eine persönliche Geschichte über die Liebe zur Literatur und ein Leben im Einklang mit sich selbst.

Es sind die neunziger Jahre in Italien. In den Kneipen wird geraucht, an den Tankstellen wird man bedient. Alex Capus bezieht ein einsam stehendes Steinhaus am Sonnenhang eines Weinbergs. Dort verbringt er viel Zeit mit seiner Freundin und Freunden, dort sucht er die Einsamkeit, um an seinem ersten Roman zu schreiben. Wie findet man Zufriedenheit im Leben? Warum stets eine neue Pizza ausprobieren, wenn doch die gewohnte Pizza Fiorentina völlig in Ordnung ist? Warum Jagd nach immer noch schöneren Stränden machen, wenn schon der erste Strand gut ist?

 

 

Schweizer Literatur

Wie der Hase läuft

von Rebecca Salm, S 195

 

Amsterdam, 1943: In einer Bäckerei fällt ein Schuss, hinter dem Tresen stirbt ein junger Mann. Seine Witwe, fast noch ein Kind, flieht in die Schweiz. Fünfzig Jahre später verlässt im Basler Hinterland ein Familienvater Frau und Kind, in der gleichen Nacht liegt eine Frau zwischen zwei Dörfern tot am Strassenrand. Jahrzehnte später begegnen Teresa und Mirco einander. Sie verlieben sich und versuchen sich an ihre Kindheit zu erinnern, die geprägt war von Verlust und Schweigen. 

Mirco hat Angst, dass die Vergangenheit sich wiederholt, wenn man sie nicht ruhen lässt. Aber Teresa begibt sich auf Spurensuche und erschafft Stück für Stück ihre gemeinsame Geschichte. In ihrem neuen Roman entfaltet Rebekka Salm ein Panoptikum aus Geschichten und Erinnerungen zweier Familien, die sich nicht erinnern wollen – und die doch, ob’s ihnen gefällt oder nicht, Teil einer grossen Erzählung sind.

 

Schweizer Literatur

Die Entflammten

von Simone Meier, S 272. 

 

Jo und Gina: Zwei Frauen, zwei Epochen – ein rauschhafter Roman über die Liebe und die Kunst. Frankreich und Holland um 1900. Die junge Jo van Gogh-Bonger verliert ihren geliebten Mann Theo an die Syphilis. Kurz zuvor hat sich Theos Bruder Vincent van Gogh erschossen. Jo bleibt nichts als ein Baby und Hunderte Bilder des noch unbekannten Malers. Sie beschliesst, Vincent weltberühmt zu machen, und setzt damit eine gigantische Erfolgsstory in Gang. Über hundert Jahre später stösst die Kunsthistorikerin Gina auf Jos Geschichte. Und Jo nimmt sie mit in eine Welt voller Menschen, die besessen sind: von der Liebe, der Kunst und von Visionen. Ginas Vater ist Schriftsteller und versucht seit zwanzig Jahren erfolglos, sein zweites Buch zu schreiben. An seiner Seite wird Ginas Faszination für Jo selbst zu einem rauschhaften Roman über eine kurze, aber folgenreiche Liebe. Und über zwei Familiengeschichten im Zeichen der Kunst.

 

 

Schweizer Literatur

Wo geht das Licht hin, 

wenn der Tag vergangen ist

von Nadine Olonetzky, S 448

 

Die Familie ihrer Mutter hinterlässt Erinnerungen, Erb-stücke und Geschichten. Von der jüdischen Familie des Vaters bleibt lediglich ein kleines Foto. Nur ein einziges Mal erzählt ihr der Vater von dem, was während der Shoah mit ihm und seiner Familie geschehen ist. Da ist sie fünfzehn, und ihr Vater mittlerweile Grafiker und Amateurfotograf, der alles festhalten muss, bevor es verschwindet. Jahrzehnte später stösst sie auf Berge von Akten und erfährt, was ihre Eltern so lange vor ihr geheim gehalten hatten.

»Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist« erzählt unsentimental und poetisch davon, wie man Verlust nicht wiedergutmachen, aber behutsam sichtbar machen kann.

»Dass diese Familiengeschichte aus mehr Fragen als Antworten besteht, macht sie so universell und lässt uns darin auch unsere eigenen Familien erkennen.« Peter Stamm

 

Schweizer Literatur

Der grösst-mögliche Beweis für Liebe

von Nicola Bardola, S 448 

 

Das Ehepaar Paul und Franca Salamun stiftet vor seinem selbstbestimmten Tod eine stille Konspiration der Liebe. Eingeweiht werden zunächst nur die Söhne und deren Frauen.Ihr Sohn Luca Salamun - Komponist und selbst Vater eines neunjährigen Kindes - spürt der Vergangenheit nach. Nachdem er vor Jahren den Kontakt zu den Eltern fast abgebrochen hat, versetzt er sich nun umso intensiver in die Lage seines Vaters, eines Bridgemeisters und Mathematikers, der mit 75 Jahren nach einem Krebsbefund beschlossen hat, sich nicht operieren zu lassen. Luca versucht, auch seine Mutter zu verstehen, die ein Geheimnis mit sich trägt, das sie nicht preisgeben will. Welche Gedanken gehen dem frei gewählten Doppel-Tod voraus? Und wie reagieren die Hinterbliebenen? Der Vater Paul Salamun lässt im winterlichen Engadin während der letzten Wanderung mit seiner Frau Franca sein Leben Revue passieren. Schlemm, der Kontrakt, bei dem der Bridgespieler zwölf Stiche machen muss, stellt ein Ziel in seinem Denkgebäude dar. Luca hofft, die Beweggründe Pauls und Francas zu begreifen, um seiner Tochter eines Tages erklären zu können, was mit den Grosseltern geschehen ist. Doch zu seiner Überraschung entdeckt er, dass er selbst Teil der elterlichen Verschwörung ist.Aufgeteilt in zwei dominierende Perspektiven, die des Sohnes Luca und die des Vaters Paul, nähert sich der Autor wie in einer literarischen Partie Bridge den entscheidenden Ereignissen und entwirft dabei ein fesselndes Familienporträt.

 

 

Schweizer Literatur

Die seeligen Jahre der Züchtigung

von Fleur Jaeggi, S 110 

 

Ein Mädcheninternat im Appenzell der sechziger Jahre. Gehorsam und Disziplin prägen die Ordnung des Hauses. Die heitere Landschaft vor den Fenstern treibt die vierzehnjährige Ich-Erzählerin zu stundenlangen einsamen Spaziergängen. Eines Tages erscheint eine Neue während des Mittagessens: Frédérique, schön, streng, verächtlich und voller Überdruss. Frédérique ist anders, etwas Leises und Schreckliches umgibt sie. Ihr sind Beherrschung, Gehorsam und Perfektion bereits zur zweiten Natur geworden. Die Erzählerin ist gebannt von ihrer Erscheinung, sie will sie erobern, sucht ihre Freundschaft. Empfänglich für den morbiden Reiz der Disziplin verfällt sie Frédérique mehr und mehr. Und erst ein ganzes Leben später kann die Erzählerin ihre abgründige Liebe in Worte fassen. Von hypnotischer Intensität.

 

 

Schweizer Literatur

Fast wie ein Bruder

von Alain Claude Sulzer, S 192

 

Entlang der gemeinsamen Lebensgeschichte zweier grundverschiedener Männer ergründet Alain Claude Sulzer existenzielle Fragen über Freundschaft und Abschied, (Homo-)Sexualität, Kunst und Ruhm.

Im Ruhrgebiet der Siebziger wachsen sie auf wie Brüder. Doch anders als den Ich-Erzähler zieht es Frank früh hinaus in die Welt: Er will als Künstler leben, geht nach New York, malt wie besessen, jedoch ohne Erfolg. Erst als er unheilbar krank ist, kehrt er zurück.Nach langer Zeit begegnen sich die Freunde am Sterbebett zum letzten Mal. So unterschiedlich ihre Lebensläufe, so tief ist die in der Kindheit geknüpfte Verbindung. Und so landen die Bilder aus Franks Nachlass von nun an gut verpackt in der Remise des Erzählers – dem nicht nur Franks Homosexualität stets fremd geblieben ist, sondern auch dessen Kunst. Jahrzehnte später entdeckt er die Bilder zufällig in einer Galerie. Rätselhaft, wie sie dort hingelangt sind – und welch eigentümliche Anziehungskraft sie besitzen: Die Kunstwelt feiert den unbekannten Maler als Genie, und auch der Erzähler erkennt endlich die Faszination, die von den Werken des Freundes ausgeht. Und mehr noch: Im grossformatigen Gemälde eines nackten Mannes erkennt er sich selbst.

 

 

Schweizer Literatur

Verschiebungen im Gestein

von Marianne Bühler, S 208 

 

Lange hat draussen das Schild »Bis auf Weiteres geschlossen« gehangen, bis Elisabeth die Entscheidung trifft, die Bäckerei weiterzuführen. Sie allein. Jeden Morgen feuert sie an, rührt den Teig, schiebt die Brote in den Ofen – und überrascht das ganze Dorf und sich selbst dazu. In derselben Gegend Alois’ Hof. Ein Hof, seit Generationen in Familienbesitz, Alois wurde nicht gefragt, ob er ihn übernehmen wollte. Er lebt mit dem Hund, überhört die Erwartung, eine Familie zu gründen – aber etwas schnürt sich zu. Vielleicht hat das mit Camenzind zu tun. Unterdessen kehrt eine junge Frau ins Dorf zurück; die drei Stufen zur Bäckerei laufen sich wie von selbst. Bei den Grosseltern holt sie den Schlüssel zum Sommerhaus, es soll verkauft werden. Sie sieht alles wieder, den Bergkamm, das Tal, den Balkon mit der Zugbrücke. Bald, so scheint es ihr, beginnt das Haus mit ihr zu sprechen. Der Roman verfolgt drei Figuren, die nichts voneinander wissen und doch verbunden sind – durch die Gegend, das Dorf und die drängende Frage, wie es eigentlich weitergehen soll. Hartnäckig haben sich in ihnen weitläufige Spuren von Vergangenem festgesetzt, aber dann gerät doch etwas in Bewegung. In ihrem sprachlich dichten Debüt beobachtet Mariann Bühler, wie Veränderung sich ihren Weg sucht und Verschiebungen passieren, die so nie vorgesehen waren, die zuweilen sogar Berge versetzen.

 

 

Schweizer Literatur

Tabak und Schokolade

von Martin R. Dean, S 208 

 

Nach dem Tod der Mutter findet der Erzähler in einer Schublade ein Album mit Fotos seiner frühen Kindheit, die er auf der Karibikinsel Trinidad und Tobago verbracht hat. Als junge Frau hatte sich die Tochter von »Stumpenarbeitern« aus dem Aargau in ein Abenteuer mit einem Tunichtgut der westindischen Oberschicht gestürzt und ein Kind bekommen. Während die übrige Familie bemüht ist, das Gedächtnis an die Jahre der Mutter bei den »Wilden« auszulöschen, macht sich der Erzähler auf, diese Geschichte, die auch seine eigene ist, zu retten. Tabak und Schokolade führt in den tropischen Dschungel einer britischen Kronkolonie der fünfziger und sechziger Jahre. Indem der Erzähler immer weiter zu seinen indischen Vorfahren, die als Kontraktarbeiter in die Karibik verschifft wurden, vordringt, legt er nicht nur einen Familienstammbaum, sondern auch ein Stück Kolonialgeschichte frei. Dem gegenüber wird die Erinnerung an das Aufwachsen im »Tabakhaus« der Grosseltern im Aargau gestellt und die Annäherung an eine Mutter, die zu Lebzeiten stets unnahbar erschien. »Ein autobiographischer Roman der anderen Art: Von einer Reise aus dem mütterlichen Aargau zu seinen väterlichen indischen Vorfahren auf Trinidad bringt Dean, in perlender Prosa, ein reicheres Selbst zurück, als es die meisten auf der Suche in der eigenen Innerlichkeit finden.«

 

 

Schweizer Literatur

Bevor es geschah

von Celine Spieler, S 256 

 

Was passiert, wenn man alte Konflikte jahrzehntelang totschweigt? In der Familie Haynes wird viel gesprochen, aber kaum je über die wichtigen Dinge. Ein Familienroman, der einen nicht mehr loslässt. Die ganze Familie Haynes bereitet sich auf ihr jährliches Barbecue vor. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Partnerinnen, Partnern und Kindern machen sich alle vier Geschwister auf den Weg zu ihrem Elternhaus, wo die Mutter ihr Eintreffen erwartet. Doch statt Wiedersehensfreude dominiert die Anspannung. Denn was nach aussen den Anschein einer perfekten Familie macht, ist in Wahrheit ein brodelndes Durcheinander von unausgespro-chenen Rivalitäten, lang gehüteten Geheimnissen und vertuschten Niederlagen. Zwischen all den ungelösten, jahrelang angestauten Spannungen sind alle so sehr mit sich selbst und der eigenen Vergangenheit beschäftigt, dass keiner zu bemerken scheint, wie sich im sommerlichen Garten eine neue Katastrophe anbahnt.

»Bestechend. Man sieht den Unfall bildlich vor sich, so filmisch schreibt Céline Spierer. Tiefer und tiefer blickt die Autorin hinter die Fassade der Familie, holt ein Geheimnis nach dem anderen hervor. Atemberaubend gut konzipiert und geschrieben.« Tobias Wenzel, SRF 2 Kultur, 10.10.2024 ("SRF")

 

 

Schweizer Literatur

Täuschend echt

von Charles Lewinsky. S 352 

 

Ein Werbetexter verliert alles auf einen Schlag: Liebe, Geld und Karriere. Dank künstlicher Intelligenz schafft er es, sich wieder aufzurappeln. Die neue Technologie hilft ihm, ein Buch zu schreiben, das grosse Beachtung findet, weil es angeblich die  »Geschichte eines wahren Schicksals« erzählt. Nur eine Frau weiss, dass das nicht stimmt: die ehemalige Geliebte, die den nun so gefeierten Autor schon einmal um alles gebracht hat.

 

 

Schweizer Literatur

Charly Brown Dilemma

von Lukas Linder, S 288 

 

Wer sich einmal auf seine Vergangenheit einlässt, kann sich nur schwer wieder aus ihrem Griff befreien. Charly Brom, Autor und Familienvater, wird eines Tages von einem Anruf in seine Jugend zurückgeworfen. Es geht um einen Todesfall, der sich in seinem Heimatdorf zugetragen hat – vor mehr als zwanzig Jahren. Charly verfällt in Panik und legt auf. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als nach Neubad zurückzukehren, wo seine Mutter und Grossmutter, zwei eigenwillige Charaktere, umgeben von Erinnerungen und Trödel, ein zurückgezogenes Leben führen. Erschüttert muss Charly feststellen, dass er trotz seines Erfolgs emotional auf der Stelle tritt, gefangen in den unveränderten Dynamiken und unausgesprochenen Geheimnissen seiner eigenen Familie. Während er versucht, sich seinen Ängsten zu stellen, scheint die Vergangenheit Charly zum Narren zu halten.

 

Schweizer Literatur

Der Aussetzer

von war Vogt, S 256

 

Gerade haben Chris und Maya den letzten Klängen ihrer Lieblingsband zugehört, haben sich gefreut über den gemeinsamen Konzertabend, an dem sie sich so nahe fühlten wie seit Jahren nicht mehr. Doch dann ist da plötzlich dieser junge Mann, seine irre Provokationen und Chris, der nicht mehr weiss, was er tut. Jahre später legt Eva ihrem Professor das Thema der Masterarbeit vor. Sie will die Schweizer Justiz durchleuchten und versteckte Diskriminierung aufdecken. Noch ahnt die Studentin nicht, dass die Nachforschungen ihre eigene Wahrnehmung, schliesslich ihr ganzes Leben infrage stellen. Raffiniert verknüpft Beat Vogt in seinem ersten Roman Familien- und Liebesgeschichte mit existenziellen Fragen zu Verantwortung, Lüge und Schuld. "Der Aussetzer oder die Resonanz einer Schuld" ist vielschichtig und abgründig, auf mehreren Zeitebenen und aus der Sicht von vier Figuren erzählt - und in einem Bogen, dessen Spannung nie nachlässt.

 

Schweizer Literatur

Do Re Mi Fa So

von Tine Melzer, S 192 

 

Sebastian Saum fehlt es an nichts: Er ist ein gefeierter Opernsänger, verkehrt in anregender Gesellschaft und lebt sorgenfrei mit seinem besten Freund Franz im geerbten Familienanwesen. Alles könnte gut so bleiben, wie es ist, bis er eines Abends ein Vollbad nimmt und beschliesst, nicht mehr aus der Wanne zu steigen. Tag um Tag vergeht, und während Franz ihn geduldig und treu bewirtet, gewinnt er nackt und allein Distanz zur Welt. Sein Leben und die Rollen, die er darin einnimmt, werden ihm fragwürdig. Er legt sie ab wie ein Kostüm, wie seine Garderobe, wie alles, was er jemals getragen hat. Und was bleibt übrig, von einem nackten Sänger ohne Publikum, von einem, der von allem immer nur verschont wurde, der immer nur Applaus gesucht hat? Ein Haufen abgetragener Kleider und Schuhe, die er im Kopf sortiert. Und die Frage, was es wert ist, aus der Wanne zu steigen und sich mit den Menschen zu verbinden. Dieses schmale Buch hat es in sich: Mit beissendem Humor und Sätzen von scharfer Eleganz singt es eine Arie auf Verletzlichkeit und Verantwortung, auf Freundschaft und Treue. Ein Kunststück!

 

 

 

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Die Länderflaggen beziehen sich auf die Herkunft des Autors/der Autorin.

Seit 26.05.2016

Überarbeitet Februar 2018