bücher gelesen 2023
57. Irische Literatur 🇮🇪
Das dritte Licht
von Claire Keegan, S 104
Irland, zu Beginn der 1980er Jahre: An einem heissen Sommertag liefert ein Vater seine kleine Tochter bei entfernten Verwandten auf einer Farm im tiefsten Wexford ab. Seine Frau ist schon wieder schwanger, noch ein Maul wird zu stopfen sein. So findet sich das Mädchen bei dem kinderlosen Ehepaar John und Edna Kinsella wieder. An einem ungewohnt schönen und behaglichen Ort, wo es Milch und Rhabarber und Zuwendung im Überfluss gibt. Aber auch ein trauriges Geheimnis, das einen Schatten auf die leuchtend leichten Tage wirft, in denen das Mädchen lernt, was Familie bedeuten kann. Das dritte Licht (»Foster«) wurde mit dem renommierten Davy Byrnes Award ausgezeichnet und in Irland als The Quiet Girl, ebenfalls preisgekrönt, verfilmt. Nun ist diese meisterhaft komponierte Geschichte über wirkliches Zusammenleben, Zuneigung und Zärtlichkeit endlich wieder in der deutschen Übersetzung von Hans-Christian Oeser bei Steidl erhältlich – in einer neuen, von der Autorin überarbeiteten Fassung.
Fazit: kleines feines Buch, unbedingt lesen.
56.
Schwedische Literatur 🇷🇺
Vielleicht der schönste Sommer *
von Eleanore Holger, S 336
Der zwanzigjährige Adam wird von seiner Mutter vor die Tür gesetzt. Er hat Schulden, das Leben läuft aus dem Ruder. Ohne Ziel und Perspektive streunt er über die Insel Lindö und steigt schließlich in ein vermeintlich leerstehendes Haus ein. Und macht am nächsten Morgen Bekannt-schaft mit der 86-jährigen Britta. Die wiederum hat der Stadt den Rücken gekehrt und Zuflucht in ihrem Landhäuschen gesucht, obwohl die Tochter es ihr streng verboten hat. Nach einem Kreuzverhör lässt Britta den jungen Mann bei sich wohnen aber er muss zupacken und ihr in Haus und Garten helfen. Ohne dass sie es ahnen, steht den beiden ein magisch schöner Sommer bevor …
Fazit: eine schöne Sommerlektüre
56.
Amerikanische Literatur 🇬🇧
So weit der Fluss uns trägt *
von Shelley Read, S 366
Am Fusse der Berge Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichform vorbei. Hier lebt in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater und ihrem Bruder in rauer Abge-schiedenheit. Doch der Tag, an dem sie dem freiheitsliebenden Wil bege-gnet, verändert alles. Bald ist Victoria gezwungen, das Leben, das sie kennt, aufzugeben und in die Wildnis zu fliehen. Dort muss sie ums Überleben kämpfen – um ihr eigenes und um das ihres ungeborenen Kindes. Als sie endlich die Kraft findet, neu anzufangen, droht der Fluss, alles zu zerstören, was ihrer Familie seit Generationen ein Zuhause war. Ein bewegender Roman über unsere Verbindung zur Natur, über Familie und die Stärke einer Frau, die Unglaubliches erlebt und doch niemals den Mut verliert. Fazi: ein toller, spannender Roman mit gewaltigen Naturszenen und vielen Emotionen.
55.
Deutsche Literatur
Sinkende Sterne 🇩🇪
von Thomas Hettche, S 224
Ein einsames Haus in den Bergen und eine Naturkatastrophe, nach der ein Schweizer Kanton sich plötzlich lossagt von unserer Gegenwart: »Sinkende Sterne« ist ein virtuoser, schwebend-abgründiger Roman, in dem eine scheinbare Idylle zur Bedrohung wird und der uns tief hineinführt in die Welt der Literatur selbst.Thomas Hettche erzählt, wie er nach dem Tod seiner Eltern in die Schweiz reist, um das Ferienhaus zu verkaufen, in dem er seine Kindheit verbracht hat. Doch was realistisch beginnt, wird schnell zu einer fantastischen, märchen-haften Geschichte, in der nichts ist, was es zu sein scheint. Ein Bergsturz hat das Rhonetal in einen riesigen See verwandelt und das Wallis zurück in eine mittelalterliche, bedrohliche Welt. Sindbad und Odysseus haben ihren Auftritt, Sagen vom Zug der Toten Seelen über die Gipfel, eine unheimliche Bischöfin und Fragen nach Gender und Sexus, Sommertage auf der Alp und eine Jugendliebe des Erzählers.Grandios schildert Hettche die alpine Natur und vergessene Lebensformen ihrer Bewohner, denen in unserer von Identitätsfragen und Umwelt-zerstörung verunsicherten Gegenwart neue Bedeutung zukommt. Im Kern aber kreist die musikalische Prosa dieses grossen Erzählers um die Fragen, welcher Trost im Erzählen liegt und was es in den Umbrüchen unserer Zeit zu verteidigen gilt. Fazit: höhere Literatur, sehr schwierig zu verstehen für mich.
54.
Australische Literatur🇳🇿
Ein Wochenende
von Charlotte Wood, S 288
Unterschiedlicher hätten die Leben der vier Freundinnen kaum verlaufen können, und doch bleiben sie sich über die Jahrzehnte hinweg treu: Jude, die kultivierte Gastronomin, deren Affäre mit dem verheirateten Daniel schon fast so lange währt wie der Freundeskreis; Adele, einst gefeierte Schauspielerin, die eben von ihrer Freundin verlassen wurde; Wendy, die feministische Intel-lektuelle, der das Verständnis für die eigenen Kinder nicht so leichtfällt wie das Schreiben komplexer Bücher; und schliesslich die warmherzige, fürsorgliche Sylvie, der Kitt der Gruppe. Als Sylvie stirbt, wird den drei anderen klar, dass sie ohne ihre Freundin neu definieren müssen, was sie zusammenhält. An einem gemeinsamen Wochenende in Sylvies altem Strandhaus fördern allzu viel Wein und ungebetene Gäste zudem ein wohlbehütetes Geheimnis zutage, das ihre jahrelange Freundschaft auf die Probe stellt. Fazit: hier wird jede Falte gezählt. Ein schonungsloses Portrait über das Älterwerden und Freundschaften, über Lügen und Wahrheiten. Bissig geschrieben, unbedingt lesen.
53.
Oestereichische Literatur 🇩🇪
Echtzeit *
von Tonino Scheckiger, S 368
Ein elitäres Wiener Internat, untergebracht in der ehemaligen Sommer-esidenz der Habsburger, der Klassenlehrer ein antiquierter und despoti-scher Mann. Was lässt sich hier fürs Leben lernen? Till Kokorda kann weder mit dem Kanon noch mit dem snobistischen Umfeld viel anfangen. Seine Leidenschaft sind Computer-spiele, konkret: das Echtzeit-Strategiespiel Age of Empires 2. Ohne dass jemand aus seiner Umgebung davon wüsste, ist er mit fünfzehn eine Online-Berühmtheit, der jüngste Top-10-Spieler der Welt. Nur: Wie real ist so ein Glück? Tonio Schachinger erzählt von einer Jugend zwischen Gaming und Klassikerlektüre, von Freiheitslust, die sich bewähren muss gegen flammende Traditionalisten und von dem unkalkulierbaren Rest, der nicht nur die Abschlussklasse 2020 vor ungesehene Herausforderungen stellt. Dabei sind die Wendungen so überraschend, sein Humor so uneitel und nahbar: Echtzeitalter ist Beispiel und Beweis für die zeitlose Kraft einer guten Geschichte. Und ein großer Gesellschaftsroman.
Fazit: dieser Roman lässt mich an meine eigene Schulzeit erinnern, ist aber wegen Längen und ausführlichen Beschreibungen im Zeitlupentempo eine echte Herausforderung an den Leser. Trotzdem zu Ende gelesen und es hat mir gefallen.
52.
Deutsch/Französische Literatur 🇩🇪
Maman
von Sylvia Schenk, S 176
Auf den Spuren der eigenen Familien-geschichte.
Eine Annäherung an die eigene Mutter und eine schmerzhafte Abrechnung: 1916 wird Sylvie Schenks Mutter geboren, die Grossmutter stirbt bei der Geburt. Angeblich war diese eine Seidenarbeiterin, wie schon die Urgross-mutter. Aber stimmt das? Und welche Geschichte wird den Nachkommenden mit auf den Weg gegeben? Als Kind leidet Sylvie Schenk unter dieser Unklarheit, als Schriftstellerin ist sie deshalb noch immer von grosser Unruhe geprägt. Mit poetischer Präzision spürt sie den Fragen nach, die die eigene Familiengeschichte offen lässt. „Maman“ ist waghalsiges Unterfangen und explosive Literatur zugleich. Nach „Schnell, dein Leben“ hat die Autorin erneut einen Text voll Schönheit und Temperament geschrieben.
Fazit: sehr gutes Buch, wer wissen möchte wer er/sie ist, woher wir kommen, wo unsere Wurzel liegen, diese Geschichte zeigt auf wie das geht.
51.
Deutsche Literatur 🇩🇪
22 Bahnen
von Caroline Wahl, S 204
Tildas Tage sind strikt durchgetaktet: studieren, an der Supermarktkasse sitzen, sich um ihre kleine Schwester Ida kümmern – und an schlechten Tagen auch um die Mutter. Zu dritt wohnen sie im traurigsten Haus der Fröhlichstrasse in einer Kleinstadt, die Tilda hasst. Ihre Freunde sind längst weg, leben in Amsterdam oder Berlin, nur Tilda ist geblieben. Denn irgendjemand muss für Ida da sein, Geld verdienen, die Verantwortung tragen. Nennenswerte Väter gibt es keine, die Mutter ist alkoholabhängig. Eines Tages aber geraten die Dinge in Bewegung: Tilda bekommt eine Promotion in Berlin in Aussicht gestellt, und es blitzt eine Zukunft auf, die Freiheit verspricht. Und Viktor taucht auf, der grosse Bruder von Ivan, mit dem Tilda früher befreundet war. Viktor, der – genau wie sie – immer 22 Bahnen schwimmt. Doch als Tilda schon beinahe glaubt, es könnte alles gut werden, gerät die Situation zu Hause vollends ausser Kontrolle. ›22 Bahnen‹ ist eine raue und gleichzeitig zärtliche Geschichte über die Verheerungen des Familienlebens und darüber, wie das Glück zu finden ist zwischen Verantwortung und Freiheit.
Fazit: dieser Roman fand ich ein Hit, trauriges Thema aber gar nicht traurig geschrieben.
50.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Paradiese Garden *
von Elena Fische, S 352
Die 14-jährige Billie verbringt die meiste Zeit in ihrer Hochhaussiedlung. Am Monatsende reicht das Geld nur für Nudeln mit Ketchup, doch ihre Mutter Marika bringt mit Fantasie und einem grossen Herzen Billies Welt zum Leuchten. Dann reist unerwünscht die Grossmutter aus Ungarn an, und Billie verliert viel mehr als nur den bunten Alltag mit ihrer Mutter. Als sie Marika keine Fragen mehr stellen kann, fährt Billie im alten Nissan allein los – sie muss den ihr unbekannten Vater finden und herausbekommen, warum sie so oft vom Meer träumt, obwohl sie noch nie da war.
Fazit: hat mir sehr gut gefallen.
49.
Französische Literatur 🇫🇷
Schnell leben *
von Brigitte Giraud, S 200,
Vor zwanzig Jahren hat Brigitte Giraud den Mann ihres Lebens, Claude, bei einem Motorradunfall verloren. Drei Tage später ist sie mit ihrem kleinen Sohn in das neue Haus, das sie zusammen mit Claude gekauft hat und in dem er nun niemals wohnen wird, gezogen. Wer die Schuld an dem Unfall trägt, bleibt unaufgeklärt, ihre Fragen unbeantwortet. Als sie zwanzig Jahre später gezwungen ist, das Haus zu verkaufen, das dem Erdboden gleichgemacht werden wird, fühlt es sich für sie an, als würde sie Claudes Seele verkaufen. Der Moment ist gekommen, sich ihrer Vergangenheit zuzuwenden. Erstmals traut sie sich, sich dem »Was wäre gewesen, wenn« zu stellen. Girauds intime Suche umkreist universelle Fragen: »Was im Leben löst die Katastrophe aus? Existiert das Schicksal?« Schnell leben ist eine Liebesgeschichte, eine Erzählung über Schuld, ohne Schuldige zu benennen, ein Porträt der Abwesenheit.
Fazit: dieser Roman hat mir nicht so gefallen, die vielen Wiederholungen sind nicht mein Ding.
48.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Simone *
von Anja Reich, S 304
»Einen Tag vor ihrem Tod rief Simone mich noch einmal an. Das weiss ich genau, denn ich hatte keine Zeit.« Berlin, Mitte der achtziger Jahre. Zwei junge Frauen feiern, tanzen, reisen, verlieben sich – und werden im Osten der Stadt erwachsen. Dann fällt die Mauer, und das Leben der Freundinnen verändert sich in rasender Geschwindig-keit. Simone reist durch die Welt, Anja bekommt ein Kind, heiratet, beginnt zu arbeiten. Sie treiben auseinander und verlieren sich doch nicht. Bis zu dem Tag, an dem Simone für immer geht und Anja zurückbleibt. Wer war Simone? Und warum hat sie sich das Leben genommen? Auf der Suche nach Antworten unternimmt die Autorin eine Reise zurück in das Leben der Freundin und in ihr eigenes. Sie spricht mit Angehörigen, Freunden und Experten, liest Briefe, Tagebücher und Dokumente – und fasst die Ergebnisse ihrer Spurensuche zu einem so bewegenden wie aufschlussreichen Buch zusammen.
Fazit: ein sehr sogfälltig geschriebener Roman, gut recherchiert und ich lerne noch viel über die ehemalige DDR. Das Buch hat mir gefallen, ist aber „langfädig“ was etwas Ausdauer beim Lesen braucht.
47.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Junger Mann *
von Wolf Haas, S 240
Der Dreizehnjährige, der auf die Waage stieg und sich um den Verstand verliebte"Mit vier Jahren brach ich mir zum ersten Mal das Bein. Mein grosser Bruder hatte zusammen mit seinen noch grösseren Freunden und deren noch grösseren Brüdern eine Sprungschanze gebaut. Eine Schanze baute man, indem man eine Schaufel organisierte und Schnee auf einen Haufen schaufelte. Dann trampelte man darauf herum. Dann fuhr der Beste los und sprang am weitesten. Nach ihm der Zweitbeste am zweitweitesten. Zuletzt mein Bruder. Dann ich."Auf diese Weise lernt der junge Mann früh den Vorteil von Unfällen schätzen: Trostschokolade. Und er lernt den Nachteil von Trostschokolade kennen: Übergewicht. Mit 13 beginnt er in den Sommerferien eine radikale Abmagerungskur. Weil ihn unvorbereitet dieses zauberhafte Lächeln getroffen hat. Das Gute am Verlieben: Die Elsa. Das Problem am Verlieben: Ihr Ehemann. Der Lastwagenfahrer Tscho. Mit jedem Kilo, das der junge Mann abnimmt, sieht er seine Chancen bei ihr steigen. Als sie mit ihm auch noch eine Spazierfahrt in ihrem neuen Renault 5 unternimmt, heizt das seinen Kalorienverbrauch weiter an. Und der Ferienjob auf der Tankstelle hat den grossen Vorteil, dass er immer genau weiss, wann Elsas Mann gerade nach Griechenland oder in ein noch ferneres Land aufgebrochen ist.Eines Tages taucht der gefürchtete Lastwagenfahrer aber doch überraschend zwischen Diesel-Zapfsäule und Tankstellenshop auf und macht dem jungen Mann ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.
Fazit: für mich war es ein Lesevergnügen.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Alpha, Betha, Bravo
von Tine Melzer, S 128
Früher einmal war Johann Trost Pilot, heute ist er pensioniert. Früher war er außerdem Ehemann, heute ist er geschieden. Dennoch ist er immer noch treu, nicht nur seiner Exfrau, sondern auch sich selbst: Er ist zuverlässig, er schwört auf Regeln und Disziplin, er hat Prinzipien und weiß, was er mag und was er sich lieber vom Leib hält. Seine Mitmenschen zum Beispiel. Als er noch Uniform trug und im Dienst war, waren sie entweder seine Passagiere oder weit unter ihm, jetzt, als frisches Mitglied einer fidelen Freizeitgesellschaft, fühlt er sich plötzlich in Bedrängnis: Selbst Nichtigkeiten wie das Schuhwerk der Nachbarn wecken seinen Ordnungssinn. Um wieder den richtigen Abstand zu den Menschen und den Dingen zu gewinnen, beginnt er eines schönen Tages um 9.17 Uhr, die Welt auf eine erträgliche Größe zu schrumpfen, und wird zum Schöpfer einer Modellbaulandschaft.Tine Melzer erzählt in ihrem Debütroman mit hinreißender Komik von einem Menschen, der uns in seiner zuverlässigen Durchschnittlichkeit sofort ans Herz wächst. Auch weil er an etwas leidet, das uns alle betrifft: Wo ist unser Platz im Leben außerhalb des Cockpits? Wem sind wir dann zugehörig? Und was kann uns vor dem Absturz retten?
Fazit: eigentlich ein schön geschriebenes Buch, aber für mich total langweilig. Buch nicht zu Ende gelesen.
45.
Sachbuch 🇩🇪
Besser Fühlen *
von Leon Windscheid, S 272
Wer Mensch sein will, muss fühlen.
Der Psychologe Leon Windscheid begibt sich auf eine bewegende Reise durch unser Innenleben. Gefuhle bestimmen unser Leben, und doch wissen wir wenig uber sie.
Windscheid geht den Fragen nach, ob Angst auch eine gute Seite hat, ob es die ewige Liebe gibt, und wofür wir eigentlich Langeweile brauchen? Er zeigt, was
gerade so starke Emotionen wie Trauer und Wut besonders wertvoll macht und wie sie uns als Menschen helfen. Am Ende gewinnen wir ein neues Verständnis von uns selbst und verstehen, wieso Fuhlen
unsere größte Stärke sein kann. Windscheid verbindet uberraschende wissenschaftliche Erkenntnisse mit Einsichten aus Tausenden Jahren Menschheitsgeschichte. Mit vielen Denkanstößen weist er neue
Wege zu mehr Gelassenheit.
Fazit: interessantes Buch, gut zu lesen, aber der Schreibstil hat mir nicht so gefallen.
44.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Vor mir wird es morgen
von Kathrin Burger, S 192
Ein im Stillen gereiftes, überraschendes Debüt - Erinnerungen und Reflexionen an der Schwelle zum Älterwerden.
Bis zum allerletzten Tag ist sie gerne hingefahren, ins Gymnasium, um junge Menschen mit ihrer Liebe für die deutsche Sprache und Literatur anzustecken. Auch wenn ihr das nicht immer gelungen ist und sie der vielen Schulreformen langsam müde wurde. Seit dem Ende ihres Berufslebens ist es ihr, als würde sie »in einem leeren, unbewohnten Raum stehen und in eine Landschaft ohne Konturen hinausschauen«. Einen Spiegel dieses inneren Raums findet die Erzählerin in ihrem Garten. Jeden Morgen beobachtet sie, wie sich der Tag langsam durch die graugrüne Wand aus Haselsträuchern, Schlehdorn und Hartriegel herantastet. Jeder Morgen ist anders und ruft andere Gedanken und Erinnerungen wach. Erinnerungen ans Elternhaus mit dem verwunschenen Park, an die ersten Semester an der Universität während der Jugendunruhen, an die Eltern, die sich in der Bewegung »Moralische Aufrüstung« engagierten, und an den früh verstorbenen Bruder, den Schriftsteller Hermann Burger. In ihrem Haus ist es noch still überhaupt ist es stiller geworden, nachdem die Kinder ausgezogen sind , nur Apple, der Kater, streicht um ihre Beine und legt sein »flaumiges Katzengewicht« auf ihre Füße. Kathrin Burgers Roman ist mit autobiografischen Elementen durchflochten. Sie erzählt präzise und poetisch. Sie blickt versöhnt auf das Entschwundene, mit Zuversicht auf das Kommende und immer wieder in ihren Garten, dessen stetige Verwandlungen sie in den feinsten Schattierungen nachzeichnet.
Fazit: ein zartes Buch, unbedingt lesen!
43.
Norwegische Literatur
Wenn die Grossmutter im Regen tanzt 🇳🇴*
von Trude Teige, S. 384
Eine starke Frau in dunklen Zeiten. Und eine junge Frau, die zurückschauen muss, um nach vorn blicken zu können.Als Juni ins Haus ihrer verstorbenen
Großeltern auf der kleinen norwegischen Insel zurückkehrt, entdeckt sie ein Foto: Es zeigt ihre Großmutter Tekla als junge Frau mit einem deutschen Soldaten. Wer ist der unbekannte Mann? Ihre
Mutter kann Juni nicht mehr fragen. Das Verhältnis zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter war immer von etwas Unausgesprochenem überschattet. Die Suche nach der Wahrheit führt Juni nach
Berlin und in die kleine Stadt Demmin im Osten Deutschlands, die nach der Kapitulation von der russischen Armee überrannt wurde. Juni begreift, dass es um viel mehr geht als um eine verheimlichte
Liebe. Und dass ihre Entdeckungen Konsequenzen haben für ihr eigenes Glück.
Als Großmutter im Regen tanzte erzählt davon, wie uns die Vergangenheit prägt bis in die Generationen der Töchter und Enkelinnen. Doch vor allem ist es eine
Geschichte über die heilende Kraft der Liebe.Drei Generationen, verbunden durch die Liebe und ein tragisches Geheimnis der Nachkriegszeit.
Fazit: ein spannender Roman über die Nachkriegszeit. Hat mir gefallen.
42.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Die Jungfrau
von Monika Helfer, S 152,
Zwei Jugendfreundinnen die eine reich, die andere arm. Nach einem halben Jahrhundert begegnen sie sich wieder. Der neue Roman von Monika Helfer. Gloria und Moni sind beste Jugendfreundinnen die eine reich, die andere arm. Ein halbes Jahrhundert später begegnen sich die beiden Frauen wieder und Gloria beichtet ihr Lebensgeheimnis: Nie hat sie mit jemandem geschlafen. Früher kam Gloria immer gut an, war exzentrisch und schön, wollte Schauspielerin werden, war viel unter Menschen. Gloria und Moni wachsen auf im Mief der sechziger Jahre, sind konfrontiert mit Ehe, Enge und Gewalt. Wie wurden die beiden zu denen, die sie sind? Monika Helfer macht aus Lebenserinnerung große Literatur. Nach der Trilogie über ihre Familie und Herkunft ist Die Jungfrau ein atemloser Roman über die jahrzehntelange Freundschaft zwischen zwei Frauen.
Fazit: wunderbare Geschichte, so ein schöner Erzählstil.
41.
Französische Literatur 🇫🇷
Der belgische Konsul *
von Amélie Nothamb, S 144
Sein erster Posten führt Patrick Nothomb in den jüngst unabhängig gewordenen Kongo. In Stanleyville soll er als Generalkonsul Belgien vertreten. Aber das Jahr 1964 hält anderes bereit, und so muss er, der kein Blut sehen kann, um das Leben Hunderter Geiseln verhandeln. Doch wer ist dieser junge Mann? Amélie Nothomb zeichnet das Bild seiner Kindheit zwischen belgischer Hautevolee und wilden Ardennen. Ein intimes Familienporträt, aber auch die Geschichte einer Welt im Wandel. Ausgezeichnet mit dem Prix Renaudot 2021 und dem Premio Strega Europeo 2022.
Fazit: mir hat das Buch sehr gutgefallen, humorvoll und interessant.
40.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Melody
von Martin Suter, S 336
In einer Villa am Zürichberg wohnt Alt-Nationalrat Dr. Stotz, umgeben von Porträts einer jungen Frau. Melody war einst seine Verlobte, doch kurz vor der Hochzeit – vor über 40 Jahren – ist sie verschwunden. Bis heute kommt Stotz nicht darüber hinweg. Für die Ordnung des Nachlasses stellt der alte Herr einen Studenten ein, der diesen Job dringend braucht. Nach und nach stellt sich Tom die Frage, ob Dr. Stotz wirklich ist, wer er vorgibt zu sein.
Fazit: wieder einmal ein Buch von Martin Suter das mir sehr gut gefallen hat. Schön geschrieben, spannend mit Sogwirkung.
39.
Österreichische Literatur 🇦🇹
Eine vollständische Liste aller Dinge, *
die ich vergessen habe
von Doris Knecht, S 240
Nach "Die Nachricht" schreibt Doris Knecht über das Leben einer Frau, die an einem Wendepunkt steht. "Ein Buch, das beglückt, begeistert, beeindruckt." (Maria-Christina Piwowarski)
Sie ist die Tochter, die stets unsichtbar war neben ihren braven, blonden Schwestern. Sie ist die alleinerziehende Mutter, die sich stets nach mehr Freiheit und die Unterstützung sehnte. Sie ist Überempfindliche, die stets mehr spürte als andere. Sie ist jemand, der Veränderungen hasst. Doch irgendetwas muss geschehen. Denn ihre Kinder sind im Begriff auszuziehen, und sie muss sich verkleinern, ihr altes Leben ausmisten, herausfinden, was davon sie behalten, wer sie in Zukunft sein will. Wie ist es, wenn das Leben noch einmal neu anfängt? Doris Knechts neuer Roman ist die zutiefst menschliche und intime Selbstbefragung einer Frau, die an einem Wendepunkt steht. Sie versucht, die Wahrheit über sich selbst herauszufinden. Und zugleich weiss sie, dass ihr das niemals gelingen wird.
Fazit: mir hat dieses Buch überhaupt nicht gefallen. Styl und Tonart nervte mich. Dabei habe ich von dieser Autorin schon ganz gute Bücher gelesen.
38.
Amerikanische Literatur 🇬🇧
Der Papierpalast *
von Mirand Cowley Heller, S 448
Eine Frau zwischen Liebhaber und Familie Elle Bishop, 50, glücklich verheiratet, steht vor einer grossen Ent-scheidung: Bleibt sie bei ihrem Ehemann oder verlässt sie ihn und ihre Familie für ihren Jugendfreund, mit dem sie eine unvergessliche Nacht verbracht hat. Sie hat nur einen Tag Zeit, um herauszufinden, wer sie im Leben sein will und mit wem sie es verbringen möchte. Im Papierpalast, dem Sommer-haus der Familie, steht sie vor der Frage, welche Art des Glücks sie wählen wird. Ein grosser Roman über die Sommer unseres Lebens - und darüber, was es heute bedeutet, eine Frau zu sein. Fazit: für einen Debütroman wirklich gut geschrieben.
Fazit: der Roman hat mehrere Zeitebenen, viele Personen kommen vor, die Charaktere sind toll beschrieben und schöne Naturbeschreibungen. Der Roman ist aber keine „leichte Kost“, hat zwischendurch kleine Längen, trotzdem sehr spannend geschrieben.
37.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Der heutige Tag *
von Helga Schubert, S 272
»Vielleicht ist einer von uns morgen schon nicht mehr da.«Über fünfzig Jahre lang teilen sie ihr Leben. Doch nun ist der Mann schwer krank. Lange schon
wird er palliativ umsorgt; und so wird der Radius des Paares immer eingeschränkter, der Besuch seltener, die Abhängigkeit voneinander grösser.
Kraftvoll und poetisch erzählt Helga Schubert davon, wie man in solchen Umständen selbst den Verstand und der andere die Würde behält.
»Helga Schubert erzählt davon, wie man Frieden machen kann mit diesem Leben. Sie zeigt, wie man Lebensgeschichte in Literatur verwandeln kann.«
Fazit: ein sehr persönliches und berührendes Buch.
36.
Schweizer Literatur 🇨🇭
In einer dunkelblauen Stunde *
von Peter Stamm S 256
Ein Roman über einen Schriftsteller und die Geheimnisse seines Lebens. Seit Tagen wartet die Dokumentarfilmerin Andrea mit ihrem Team auf Richard Wechsler in seinem Heimatort in der Schweiz. Bei ersten Aufnahmen in Paris hatte der bekannte Schriftsteller wenig von sich preisgeben wollen und nun droht der ganze Film zu scheitern. In den kleinen Strassen und Gassen des Ortes sucht Andrea entgegen der Absprache nach Spuren von Wechslers Leben. Doch erst als sie wieder seine Bücher liest, entdeckt sie einen Hinweis auf eine Jugendliebe, die noch immer in dem kleinen Ort leben könnte. Eine Jugendliebe, die sein ganzes Leben beeinflusst hat und von der nie jemand wusste.
Fazit: ich verstehe bei diesem Roman gar nichts. Konnte das Buch nicht fertig lesen.
35.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Die Rückkehr der Kraniche
von Romy Fölck, S 336 *
Ein Familienroman aus Norddeutschland: Ein altes Haus inmitten der Elbmarsch, die Kraft der Natur und drei Frauengenerationen, die nach Jahren dort wieder zusammenkommen.
Gretes Zufluchtsort ist die Natur, vor allem das Gebiet in der Marsch, wo sie als Vogelwartin arbeitet. Ihr ganzes Leben hat sie hier verbracht: Erst kümmerte sie sich um ihre Tochter Anne, dann brauchte ihre Mutter Wilhelmine zunehmend Unterstützung mit Haus und Hof. Jetzt, kurz vor ihrem fünfzigsten Geburtstag, bietet sich eine Chance, aus den gewohnten Bahnen auszubrechen. Doch als Wilhelmine stürzt, gerät Gretes Plan ins Wanken. Ihre jüngere Schwester Freya reist aus Berlin an. Will sie wirklich helfen oder vielmehr ihrem eigenen Leben entfliehen? Auch Anne ist gekommen, um der geliebten Oma nahe zu sein. Doch das Verhältnis zu ihrer Mutter Grete ist angespannt – vielleicht weil Grete bis heute beharrlich darüber schweigt, wer ihr Vater ist. Und auch Wilhelmine wahrt noch ein Geheimnis und muss bald entscheiden, ob sie es mit ins Grab nehmen möchte.
Fazit: ein schöner Roman, nichts literarisches aber gut und spannend geschrieben mit starken Frauenfiguren.
34.
Amerikanischer Krimi 🇬🇧
Going Zero *
von Anthony McCarten, S 464
Hat man als Einzelner überhaupt eine Chance gegen das System? Eine junge Bibliothekarin aus Boston ist entschlossen, es zu versuchen – ihr bleibt keine Wahl. Und so greift sie zu, als sich die Einladung zu einem ungewöhnlichen Kräftemessen bietet: dem Betatest von FUSION, einem Projekt der US-Geheim-dienste und des Social-Media-Moguls Cy Baxter. Wem es gelingt, 30 Tage unauffindbar zu bleiben, dem winken 3 Millionen Dollar. Doch Kaitlyn geht es um etwas anderes.
Fazit: toll geschriebener Krimi, sehr spannend und intelligent komponiert.
32.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Die Unscheinbaren *
von Dirk Brauns, S 336
Es ist der Schockmoment seines Lebens: An einem kalten Wintertag im Jahre 1965 muss der achtzehnjährige Martin Schmidt in Gegenwart seiner
Grossmutter miterleben, wie die Stasi seine Eltern verhaftet: Seit vielen Jahren hatten diese – vor allem auf Betreiben seiner manipulativen Mutter – für den BND spioniert. Das Leben im sozialistischen Deutschland wird für Martin daraufhin zum Spiessrutenlauf: Von seinen Mitschülern wird er geschnitten und verprügelt, beim Einkauf verhöhnt, die Nachbarn wechseln vor dem »Verräterkind« die Strassenseite. Die Grossmutter verkraftet die Schande nicht und stirbt bald darauf. Als seine Mutter Jahre später freikommt, folgt er ihr in den Westen – zurücklassen muss er dafür Angelika, die grosse Liebe seines Lebens …Jahrzehnte später holen ihn diese traumatischen Ereignisse wieder ein: Er ist inzwischen gestandener Tierarzt in Bayern, frisch verwitwet. Historiker bitten ihn, seine Geschichte zu erzählen – er stimmt zu, auch um damit einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen. Als er dies bei einem Besuch im Altenheim seiner Mutter eröffnet, erzählt sie im Gegenzug, dass Angelika bei ihr angerufen und sich nach ihm erkundigt habe – allerdings schon vor Jahren; als seine Frau noch lebte, wollte sie es ihm nicht mitteilen. Für Martin beginnt eine Reise zurück zu den Wurzeln. Er kontaktiert Angelika, stösst in Akten auf Widersprüche und Ungereimtheiten, taucht ein in die Welt der Geheimdienste und toten Briefkästen. Und er findet dabei nicht nur zur Geliebten seiner Jugendjahre zurück – er stösst auch auf schockierende Informationen darüber, wer damals die Eltern verraten hatte und wer davon alles profitierte.
Fazit: interessante Geschichte, zum Thema Spionage in der DDR, wie ich sie so noch nie gelesen habe.
31.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Lange Jahre fremd
von Roland M. Begert, S 298
Clara, Tochter einer Zigeunerin, galt als „Kind der Landstrasse“ und wurde verdingt. Als sie 1937 von ihrem Mann verlassen wird, scheint sich die Geschichte zu wiederholen: Florian, ihr neugeborener Sohn, muss ins Heim und wird im Alter von Zwölf Jahren als Verdingkind auf einen Bauernhof geschickt. Den Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit erlebt Florian von ganz unten: er wird zu einer Lehre als Giesser gezwungen und als Rechtloser ausgenutzt. Als er endlich selber über sein Leben bestimmen kann, ist er krank, mittellos und fast ohne Bildung. Doch dann beginnt eine neue Geschichte. Der Autor zeichnet seine Lebensgeschichte nach und beleuchtet ein düsteres Kapitel der Schweiz. Der Autor bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen Anklage und Versöhnung.
Fazit: eine sehr traurige Biographie, gut geschrieben. Jeder Schweizer sollte diese Geschichte kennen, damit er weiss wie es in früheren Zeiten in der Schweiz zu und her ging.
30.
Amerikanische Literatur 🇬🇧
Das Band das uns hält *
von Kent Haruf, S 320
Die achtzigjährige Edith Goodnough wurde verhaftet. Ihr Nachbar weiss um Ediths Lebenstragödien und die kleinen Lichtblicke, die vielleicht unweigerlich zu diesem Januar 1977 führten: die entbehrungs-reiche Kindheit, der Tod der Mutter, der durch einen Unfall abhängige, stets wütende Vater. Wahrhaftig und einfühlsam entführt Kent Haruf abermals in ein Leben, in dem es an dem meisten fehlt, in dem es Herz und Beharrlichkeit braucht, um die Geschenke darin zu entdecken.
Fazit: eine wunderbar traurige Familieneschichte, erzählt vom Nachbarssohn, in rauem Ton, der genau in diese karge Landschaft passt.
29.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Lichte Tage
von Sarah Winman, S 240
»Ein verblüffend schönes Buch. Es bricht einem das Herz und wärmt es gleichzeitig.« Matt Haig Als sich Ellis und Michael das erste Mal begegnen, ist es, als hätte das Schicksal sie zusammengeführt. Erfüllt mit einer grossen Sehnsucht nach Kunst und Poesie, entfliehen die beiden Heranwachsenden dem grauen Oxford in die Wärme und das Licht Südfrankreichs. Dort finden sie heraus, wer sie sein könnten. Und müssen entscheiden, wer sie sein wollen. Ein einzigartiger Roman über die Bande der Freundschaft und der Liebe. Alles beginnt mit einem Gemälde, das Dora Judd an die Wand ihres Wohnzimmers hängt. Fünfzehn Sonnenblumen, wie sie van Gogh im warmen Licht Südfrankreichs malte. Jahre später reist ihr Sohn Ellis zusammen mit seinem besten Freund Michael der Sonne entgegen. Sie tauschen die grauen Strassen Oxfords, das Arbeiterviertel mit der Autowerkstatt und die Fäuste ihrer Väter gegen die Poesie und das Licht des Südens. Gemeinsam entdecken sie, welche Möglichkeiten ihnen das Leben eröffnet, doch auch die Prägungen ihrer Herkunft brechen immer deutlicher hervor. Dann tritt Annie in ihr Leben, und das ändert gleichzeitig nichts und alles. Sarah Winman hat einen unvergleichlich zärtlichen Roman über die Verflechtungen der Liebe und über die transformative Kraft der Kunst geschrieben.
Fazit: ein schöner feiner Roman.
28.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Die karierten Mädchen *
Alexa Henning von Lange, S 368
Die über 90-jährige Klara ist blind und kann ihr Reihenhaus schon lange nicht mehr allein verlassen. Ganz unerwartet wird die Tür aufgestossen, hinter der sie ihre Vergangenheit fest verschlossen hat. Ergreift sie ihre letzte Chance, ihr bestgehütestes Geheimnis – die Geschichte ihres Lebens – zu offenbaren? Viele Jahrzehnte früher: Klara ist überglücklich; mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929 bekommt sie eine der raren Stellen als Hauswirtschaftslehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Als eines Tages dort ein Baby abgegeben wird, fühlt sie sich der kleinen Tolla auf Anhieb stark verbunden. Bald spitzt sich die wirtschaftliche Lage zu. Klara, die das Heim inzwischen leitet, sucht die Nähe der neuen Machthaber in der Hoffnung auf Rettung. Zu spät erkennt sie, mit wem sie sich eingelassen hat. Die Nationalsozialisten machen aus dem Haus ein Frauenbildungsheim. Klara soll bei ihren Schülerinnen die Liebe zu Volk und Kind wecken, statt sie zu eingenständig denkenden Frauen zu erziehen. Gleichzeitig ist sie unter der Hakenkreuzflagge und den ständigen Besuchen der Nazi-Funktionäre plötzlich selbst in Gefahr: Denn Tolla, das Waisenmädchen, das inzwischen wie eine Tochter an Klaras Seite lebt, ist jüdischer Herkunft. Fazit: interessant und spannend geschrieben.
27.
Amerikanische Literatur 🇬🇧
Gentlman über Bord
von Herbert Clyde Lewis, S 176.
Ein wohlsituierter New Yorker Geschäftsmann stürzt urplötzlich in eine mentale Krise. Um zu gesunden, so spürt er, muss er seinen von grauem Erfolg geprägten Alltag hinter sich lassen, und kurzerhand tritt er eine Schiffsreise an. Kaum auf See, stellt sich die erhoffte Erleichterung tatsächlich ein, doch dann ... macht er einen einzigen falschen Schritt und landet mitten im Pazifik, während sein Schiff sich immer weiter von ihm entfernt. Was denkt ein Mensch in solch einer Situation? Woraus schöpft er Hoffnung? Und wie blickt er nun auf sein Leben, dessen er vor Kurzem noch so überdrüssig war? Mit Gentleman über Bord gelang Herbert Clyde Lewis ein tiefgründiges, genial komponiertes Meisterwerk, das fast ein Jahrhundert lang weitgehend unbeachtet blieb und in der vorzüglichen Übersetzung von Klaus Bonn jetzt endlich auf Deutsch vorliegt.
Fazit: sehr schön geschriebener, kurzer und spanender Roman.
26.
Amerikanische Literatur 🇬🇧
Der letzte Sessellift *
von John Irving, S 1088
1941 in Aspen, Colorado. Die 18-jährige Rachel tritt bei den Skimeisterschaften an. Eine Medaille gibt es nicht, dafür ist sie schwanger, als sie in ihre Heimat New Hampshire zurückkehrt. Ihr Sohn Adam wächst in einer unkonventionellen Familie auf, die allen Fragen über die bewegte Vergangenheit ausweicht. Jahre später macht er sich deshalb auf die Suche nach Antworten in Aspen. Im Hotel Jerome, in dem er gezeugt wurde, trifft Adam auf einige Geister. Doch werden sie weder die ersten noch die letzten sein, die er sieht.
Fazit: fantastisch Geschrieben, braucht aber soviel Geduld, ich habe mich bis Seite 100 durchgelesen. Lese zu einem späteren Zeitpunkt weiter.
25.
Österreichische Literatur 🇦🇹
Wovon wir Leben *
von Birgit Birnbacher, S 192.
Ein literarischer Roman über die brennenden Themen der Gegenwart: Birgit Birnbacher gelingt es, die Frage, wie und wovon wir leben wollen, in einer packenden und poetischen Sprache zu stellen. Ein einziger Fehler katapultiert Julia aus ihrem Job als Krankenschwester zurück in ihr altes Leben im Dorf. Dort scheint alles noch schlimmer: Die Fabrik, in der das halbe Dorf gearbeitet hat, existiert nicht mehr. Der Vater ist in einem bedenklichen Zustand, die Mutter hat ihn und den kranken Bruder nach Jahren des Aufopferns zurückgelassen und einen Neuanfang gewagt. Als Julia Oskar kennenlernt, der sich im Dorf von einem Herzinfarkt erholt, ist sie zunächst neidisch. Oskar hat eine Art Grundeinkommen für ein Jahr gewonnen und schmiedet Pläne. Doch was darf sich Julia für ihre Zukunft denken?
Fazit: gut geschrieben, regt zum Nachdenken an.
24.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Steine zählen
von Thomas Röthlisberger, S 176
Südfinnland: Henrik Nyström, der lokale Polizeibeamte, fährt hinaus zu einer Bauernkate in der Nähe des Vehkajärvi-Sees. Auf der Polizeistelle ist ein Anruf eingegangen, der alte Matti Nieminen habe auf seine Frau Märta geschossen, die ihn nach vierzig Jahren Ehe verlassen wolle. Auch Olli, der Sohn der Nieminens, ist auf dem Weg zum Elternhaus, weil er wieder einmal in Geldnöten steckt und sich einen Zuschuss der Mutter erhofft. Als der Polizeibeamte auf dem Hof eintrifft, findet er den alten Matti auf dem Schotterplatz vor dem Haus in einer Blutlache liegend. Aber Nieminen ist nicht tot. Und die Schusswunde scheint er sich selbst beigebracht zu haben. Was war hier vorgefallen? War Olli bereits hier gewesen, dem Nyström auf der Herfahrt begegnet war, oder hatte Arto die Finger im Spiel, der Schwager, den Matti tödlich hasst? Oder gar Pekka, der frühere Liebhaber von Märta, der seit Jahren als verschollen gilt? Ein tiefgründiger Roman über das Menschliche und das Unmenschliche, die oft so nahe beieinanderliegen, dass die Grenze erst erkennbar wird, wenn es zu spät ist.
Fazit: das Buch ist gut hat es mir aber trotzdem nicht so angetan.
23.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Akonos Berg *
von Peter Weibel, S 64
Die Saison ist vorbei, die Gäste abgereist, im Bergdorf kehrt Ruhe ein. Spät in der Nacht bekommt Jonas, einer der Bergführer im Ort, Besuch von seinem Kollegen Glauser. Es geht um eine Rettung: Vor einigen Tagen sei jemand aus der Asylunterkunft geflohen und zuletzt oben bi einer Hütte gesehen worden. Glauser lässt durchblicken, dass andere Bergführer es abgelehnt haben, sich auf die Suche nach dem jungen Mann zu machen. Akono ist dessen Name, er stammt aus dem Norden Nigerias. In der Asylunterkunft erfährt Jonas, dass Akono das Land wird verlassen müssen, sein Antrag ist abgelehnt worden. Jonas bittet seine Kollegin Sarah um Hilfe und macht sich zunächst allein auf zur Hütte. Die Hoffnung, dass Akono dorthin zurückgekehrt sein könnte, zerschlägt sich. Nur Spuren seiner Anwesenheit sind zu finden, darunter ein vergilbtes altes Heft. Die Worte darin versteht Jonas nicht, er kennt noch nicht einmal die Schriftzeichen. Aber die Zeichnungen erzählen eine Geschichte, Bilder einer Flucht, schliesslich eine Gestalt mit weit ausgebreiteten Armen, oben auf einem Berggipfel. Als Sarah eintrifft, beginnt die Suche.
Fazit: eine ganz kurze Geschichte bei der man atemlos wird. Toll geschrieben.
22.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Windhauch, das ist alles Windhauch *
von Werner Wyser, S 272
«Jetzt kehre ich als Bettler dorthin zurück, wo man Vater um sein Erbe betrogen hat.» Am 18. Juli 1930 verlässt Hannes mit seiner Familie Georgien, das Land, in dem er geboren wurde. Simon, sein Vater, war 1866 in Langnau im Emmental aufgebrochen, um in Grusinien, wie die Russen Georgien nannten, seinen Traum zu verwirklichen: ein Geschlecht von angesehenen Bauern zu gründen. Als Simon 1918 starb, hinterliess er Hannes einen Gutshof mit mehr als tausend Kühen. Doch nach dem Einmarsch der Roten Armee und der Machtübernahme der Bolschewiki in Transkaukasien verliert die Familie ihren ganzen Besitz. Die Schweizer Auswanderer dürfen nicht mehr mitnehmen, als in einem Koffer Platz hat. Und sie haben noch Glück: Die deutschen Kolonisten werden deportiert – viele von ihnen verlieren in Sibirien ihr Leben. Der letzte Band von Werner Rysers kaukasischer Tetralogie hat beklemmende Parallelen zu aktuellen Ereignissen auf der Welt. Es scheint, als wiederhole sich die Geschichte. Immer wieder. Fazit: auch der letzte Band hat mich voll begeistert. Es kommen einige Zusammenfassungen der vorhergehenden Bücher vor, was für eine gute Verständlichkeit gut ist.
21.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Kaukasische Symphonie *
Werner Wyser, S 358
Werner Ryser erzählt die Geschichte von Simon, dem Emmentaler Auswanderer, der seinen Traum, in Grusinien Grossbauer zu werden, verwirklicht hat, und von Sophie, seiner Frau, die mit einem Fuss in der diesseitigen und mit dem andern in der jenseitigen Welt lebt. Sie haben drei Söhne, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Karl, den Arzt, der sich gegen die Ungerechtigkeiten der ständischen Gesellschaft im Zarenreich empört, Hannes, den Bauern, der einmal das elterliche Gut Eben-Ezer erben wird, sowie Jakob, den begnadeten Musiker, der mit seiner «Kaukasischen Sinfonie» seiner Seele ein Haus baut. «Kaukasische Sinfonie» ist der dritte Band einer Familiensaga, die mit den Romanen «Geh, wilder Knochenmann!» und «Die grusinische Braut» begonnen hat. Der Roman spielt vor dem Hintergrund weltgeschichtlicher Ereignisse: des Grossen Kriegs von 1914/18 und der Russischen Revolution, die das Schicksal der Menschen im kleinen Land zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer prägen.
Fazit: auch der 3. Band hat mich tief berührt. Ich finde die Beschreibungen über Musik, Gefühle, Krieg, Gräueltaten und Tod einmalig gut.
20.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Die grusinische Braut *
von Werner Ryser, S 256
Im August 1866, rund drei Monate nachdem er im Emmental aufgebrochen ist, erreicht der achtzehnjahrige Simon Grusinien, wie die Russen Georgien nannten. Er, der früh seine Eltern verlor, um sein Erbe betrogen und verdingt wurde, mochte in diesem wilden, weiten Land seinen Traum verwirk-lichen: Besitzer eines grossen Guts werden, Kinder zeugen und mit ihnen ein neues Geschlecht von angesehenen Bauern gründen. Werner Ryser nimmt uns in seinem Folgeroman zu "Geh, wilder Knochenmann!“ mit aufs Gut Eben-Ezer, wo Simon als Senn arbeitet: Zum Gutsbesitzer Baron von Fenzlau, der im Dienst des Zaren eine grosse Schuld auf sich geladen hat. Zu Thilde, die allen Männern den Kopf verdreht. Zu Mayranoush, der guten Seele auf dem Hof. Zu Sophie, Thildes Tochter, die nicht wissen darf, wer ihr Vater ist. Und natürlich zu Simon, dem Wortkargen, der nicht weiss, wie man eine Frau um ihre Hand bittet...
Fazit: auch der 2. Band von Werner Rysers kaukasischer Tetralogie gefällt mir ausserordentlich gut. Auf den ersten 50 Seiten wird etwas viel und ausführlich vom Krieg geschrieben. Ist aber nötig um die historischen Ereignisse zu verstehen.
19.
Oesterreichische Literatur 🇦🇹
Sinnbilder *
Reinhold Messner, S 192
Reinhold Messner erzählt in »Sinnbilder« von dem, was seine Erfolge ausmacht: die Fähigkeit, Ballast abzuwerfen, Verzicht statt Konsum. Was hat ihn aus der Enge eines Bauerndorfs in den Dolomiten auf die höchsten Gipfel der Welt geführt? Was motiviert ihn heute? Welche Werte haben ihn auf seinem Weg geleitet und welche entscheidende Rolle spielt ausgerechnet der Verzicht dabei? Aber Messner stellt sich nicht nur den Fragen nach seinem Leben. Fragen, die uns alle betreffen, stehen im Mittelpunkt: Nachhaltigkeit, Klimawandel und Generationengerechtigkeit. Wie geht er mit dem Altern um und was bedeuten Tod, Religion und Spiritualität für ihn? Auch sehr Privatem weicht Messner nicht aus und spricht offen von Krisen und Enttäuschungen, von Trennung und Neuanfang in der Liebe. Eine wichtige Rolle kommt dabei seiner Frau Diane zu, die ihren eigenen Blick auf ihren berühmten Mann hat – und hier erstmals davon erzählt.
Fazit: ein nachdenkliches und inspirieren-des Buch.
18.
Kasachstan Literatur
Die Lüge *
von Mikita Franko, S 384
Ein virtuoser Roman über einen Jungen, der in Russland bei einem homosexuellen Paar aufwächst. Mikita wird nach dem Tod seiner Mutter von ihrem Bruder adoptiert, er ist fünf Jahre alt. Mit Slawa und dessen Partner Lew geniesst er eine fröhliche Kindheit. Aber mit der Einschulung beginnt das Versteckspiel, das Lügen. Wenn Besuch kommt, müssen Fotos weggeräumt, in Aufsätzen müssen Dinge verschwiegen oder erfunden werden, und Mikita schlagen Vorurteile entgegen. Er verliert seinen Frohsinn, wird wütend, aggressiv, depressiv. Erst die Freundschaft mit einem Jungen aus dem Waisenhaus beruhigt ihn. Und dann merkt er, dass er sich zu Jungs hingezogen fühlt. Ausgerechnet! Er beschuldigt sich, zum Beweis für die Propaganda geworden zu sein, die behauptet, gleichgeschlechtliche Paare würden homosexuelle Kinder grossziehen. All seine Versuche, sich in Mädchen zu verlieben, scheitern. Es wird noch dauern, bis Mikita Frieden mit sich selbst und seiner Sexualität findet. Die Lüge ist ein ausgesprochen unterhaltsames Debüt, schnörkellos und am Puls der Zeit.
Fazit: gut und solid geschriebener Roman. Hat mir gefallen.
17.
Britische Literatur 🇬🇧
Und damit fing es an
von Rose Tremain, S 333
»Manchmal geschehen Dinge eben erst spät im Leben.« Gustav Perle ist ein zurückhaltender Mann. Er wuchs in den 1940er-Jahren allein bei seiner Mutter Emilie in ärmlichen Verhältnissen im schweizerischen Matzlingen auf – und schon damals hat er gelernt, nicht zu viel vom Leben zu wollen. Als Anton in seine Klasse kommt, ein Junge aus einer kultivierten jüdischen Familie, hält mit ihm auch das Schöne in Gustavs Leben Einzug. Anton spielt Klavier, und seine Familie nimmt Gustav sonntags mit zum Eislaufen. Emilie sieht das nicht gerne, lebt sie doch in der Überzeugung, dass die Bereitschaft ihres verstorbenen Mannes, jüdischen Flüchtlingen zu helfen, letztlich ihr gemeinsames Leben ruiniert hat. Doch Anton ist alles, was Gustav braucht, um glücklich zu sein. Umso härter trifft es ihn, als Anton – beide sind längst erwachsen – Matzlingen verlässt, weil er seine grosse Chance als Pianist wittert. Gustav widmet sich seinem Hotel Perle, das er inzwischen mit Erfolg führt – doch er ist einsam und verspürt eine grosse Leere in seinem Leben. Bis Anton, gescheitert, zurückkehrt – und beide erkennen, dass das Glück vielleicht schon immer direkt vor ihnen lag. Ein zarter, bewegender Roman, der davon erzählt, dass es manchmal fast ein ganzes Leben dauert, bis man das Glück findet.
Fazit: schöner Roman, zügig zu lesen, viele Ereignisse, aber Literatur ist natürlich was anderes.
16.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Der schwarze Tanner
von Meinrad Inglin, S 59
Bergbauer Kaspar Tanner weigert sich während des Zweiten Weltkriegs, Bergwiesen in Ackerland umzuwandeln. Tanner begreift den Sinn der Sache nicht und sperrt sich vehement dagegen. Er gerät mit dem Gesetz in Konflikt und wird zum tragischen Straftäter.
Fazit: es tat gut wieder einmal ein so gradliniges Buch zu lesen. Ein Schweizer Klassiker. Auch für Jungendliche ab 11 Jahren geeignet.
15.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Das Liebespaar des Jahrhundert
von Julia Schoch, S 192
Wo geht die Liebe hin, wenn man sagt, sie ist verschwunden?Eine Frau will ihren Mann verlassen. Nach vielen Jahren Zusammenleben und Ehe ist sie entschlossen und bestürzt zugleich: Wie konnte es nur dazu kommen? Während sie ihr Fortgehen plant, begibt sie sich in ihren Gedanken weit zurück. Da waren die rauschhaften Jahre der Verliebtheit, an der Universität, zu zweit im Ausland und später mit den kleinen Kindern, aber da gab es auch die Kehrseite – Momente, die zu Wendepunkten wurden und das Scheitern schon vorausahnen liessen. Doch ist etwas überhaupt gescheitert, wenn es so lange dauert? Julia Schoch legt frei, was im Alltag eines Paares oft verborgen ist: die Liebesmuster, die Schönheit auch in der Ernüchterung. Ein Loblied auf die Liebe.
Fazit: total langweilig, nicht fertig gelesen.
14.
Russische Literatur
Kremulator
von Sasha Filipino, S 256
Pjotr Nesterenko ist mit dem Tod auf vertrautem Fuss. Als Direktor des Moskauer Krematoriums in der Stalin-Zeit hat er sie alle eingeäschert: die Abweichler, die angeblichen Spione und die einstigen Revolutionshelden, die den Säuberungen zum Opfer fallen. Er jedoch, davon ist er überzeugt, kann gar nicht sterben. So oft ist er dem Tod schon knapp entronnen. Bis der Tag seiner eigenen Verhaftung kommt. Wird er auch diesmal den Hals aus der Schlinge ziehen?
Fazit: von diesem Autor habe ich schon gute Bücher gelesen. Dieses gehört nicht dazu.
13.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Geh, wilder Knochenmann *
Werner Wyser, S 256
Als der elfjährige Simon am späten Nachmittag des 20. Septembers 1859 aus der Dorfschule ach Hause kommt, ist die Wohnstube des Auenhofs voller Menschen - Mägde, Knechte, Nachbarinnen, Nachbarn. Sie treten zur Seite und öffnen ihm eine Gasse. Der Vater liegt auf dem Tisch. Seine Kleider zerrissen und schmutzig, sein blutverkrustetes Gesicht bleich. Der Roman erzählt die Geschichte dreier Emmentaler Geschwister, die früh ihre Eltern verlieren und damit auch ihr Zuhause, den Auenhof. Esther muss dem neuen Besitzer als Magd dienen, Jakob kommt zu einer Pflegefamilie, und Simon, der Jüngste, der den Hof geerbt hätte, wird verdingt. Doch Simon lässt sich nicht brechen. Er träumt davon, dass er später einmal sein Glück in einem Land jenseits der Berge finden würde. Am 18. Mai 1866 bricht er zusammen mit seinem Bruder in Langnau auf in Richtung Georgien…
Fazit: ein sehr gut geschriebener Roman über die Problematik der Verdingkinder in der Schweiz. Im Roman kommen etwas viele Unglücke vor. Trotzdem zeigt der Roman deutlich wie es in vergangenen Zeit so zu und her ging. Sehr traurig. Ich sehe das Emmental mit anderen Augen.
12.
Amerikanische Literatur 🇬🇧
Unsere verschwundenen Herzen *
von Celeste Ng, S 400
Der zwölfjährige Bird lebt mit seinem Vater in Harvard. Seit einem Jahrzehnt wird ihr Leben von Gesetzen bestimmt, die nach Jahren der wirtschaftlichen Instabilität und Gewalt die »amerikanische Kultur« bewahren sollen. Vor allem asiatisch aussehende Menschen werden diskriminiert, ihre Kinder zur Adoption freigegeben. Als Bird einen Brief von seiner Mutter erhält, macht er sich auf die Suche. Er muss verstehen, warum sie ihn verlassen hat. Seine Reise führt ihn zu den Geschichten seiner Kindheit, in Büchereien, die der Hort des Widerstands sind, und zu seiner Mutter. Die Hoffnung auf ein besseres Leben scheint möglich. Eine genauso spannende wie berührende Geschichte über die Liebe in einer von Angst zerfressenen Welt.
Fazit: dieser Roman spielt in einer Utopie, was nicht Jedermanns Sache ist. Aber vielleicht kann man das tragische Thema der „Verlorenen Kinder“ so einfach besser ausdrücken. Das Buch entwickelt einen spannenden Sog. Die zwei vorangegangen Bücher der Autorin (Kleine Feuer überall und Was ich euch nicht erzählte) haben mir besser gefallen.
11.
Russische Essays
Die Erinnerung nicht vergessen *
von Ljudmila Ulitzkaja, S 192
Die regimekritische russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja schreibt in ihrem aktuellen Buch vom Leben zu Sowjet-Zeiten und danach. Und mahnt dabei eindringlich, nicht zu vergessen, was geschah und geschieht.
Fazit: jedes Kapitel hat ein eigenes Thema aus der Vergangenheit. Ich habe nur das halbe Buch gelesen.
10.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Lieblingstochter *
von Sarah Jollien-Fardel, S 221 Sarah
Jollien-Fardel erzählt die Geschichte einer Befreiung, die unter die Haut geht: In den Walliser Bergen wächst die kleine Jeanne mit einem gewalttätigen Vater, einer verängstigten Mutter und der eingeschüchterten Schwester auf. Alle im Dorf wissen von der willkürlichen Brutalität des Vaters, alle schauen weg. Jeanne flüchtet in ihre Phantasie, in die Welt der Bücher und später ins Internat. Sie errichtet einen Schutzwall, der sie am Leben hält. Als junge Frau sucht Jeanne die körperliche Nähe von anderen Frauen. Mit jeder Begegnung rückt der Vater ein Stück weiter weg. Doch dann verliebt sich Jeanne in Paul, und sie muss sich entscheiden.Sarah Jollien-Fardel schreibt so berauschend wie klar über eine Frau, die ihre Vergangenheit um jeden Preis abstreifen will – um frei zu leben und zu lieben.
Fazit: ein sehr beeindruckendes Buch, dass tief berührt.
9.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Tanners Erde, eine Novelle
von Lukas Maisel, S 128
Ein kleiner Hof im Schweizer Voralpenland. Ein Leben von zeitloser Einfachheit. Doch dann geschieht, was hier noch nie geschah.Dies ist die Geschichte des Bauern Tanner und seiner Frau, die buchstäblich an den Rand ihrer Welt geraten. Ihr Hof mit den paar Kühen wirft gerade genug zum Leben ab. Doch dann tun sich in seinem Land, völlig unerklärlich, zwei riesige, bodenlose Löcher auf. Sind sie Omen, Strafe, Zufall? Tanner will erst keine Hilfe annehmen, er will das Richtige tun und tut deshalb das Falsche. Er muss zusehen, wie sein einfaches, stilles Leben auseinanderfällt. Taghelle Prosa, die an Keller und Kafka erinnert. In präziser und poetischer Sprache erzählt Lukas Maisel von Natur und Gemeinschaft und davon, wie das Unbegreifliche in die Wirklichkeit einbricht – und bleibt.
Fazit: so grandios geschrieben, unbedingt lesen!
8.
Österreichische Literatur 🇦🇹
Das glückliche Geheimnis
von Arno Geiger, S 240
Von Anläufen und Enttäuschungen, vom Finden und Wegwerfen. Und vom Glück des Gelingens. Das neue Buch von Arno Geiger. Frühmorgens bricht ein junger Mann mit dem Fahrrad in die Strassen der Stadt auf. Was er dort tut, bleibt sein Geheimnis. Zerschunden und müde kehrt er zurück. Und oft ist er glücklich. Jahrzehntelang hat Arno Geiger ein Doppelleben geführt. Jetzt erzählt er davon, pointiert, auch voller Witz und mit grosser Offenheit. Wie er Dinge tat, die andere unterlassen. Wie gewunden, schmerzhaft und überraschend Lebenswege sein können, auch der Weg zur grossen Liebe. Wie er als Schriftsteller gegen eine Mauer rannte, bevor der Erfolg kam. Und von der wachsenden Sorge um die Eltern. Ein Buch voller Lebens- und Strassenerfahrung, voller Menschenkenntnis, Liebe und Trauer.
Fazit:ein unerhört gutes Buch!
7.
Französische Literatur 🇫🇷
Der junge Mann *
von Annie Ernaux, S 48
Sie ist Mitte fünfzig und beginnt ein Verhältnis mit einem dreissig Jahre jüngeren Mann. Einem Studenten, noch dem Milieu verhaftet, aus dem sie sich emanzipiert zu haben glaubt. Er verlässt die gleichaltrige Freundin und liebt sie mit einer Leidenschaft wie keiner zuvor. Entrückte Tage und Nächte in seinem kargen Zimmer, Matratze auf dem Boden, löchrige Wände, defekter Kühlschrank. Doch die intime Episode ist zugleich etwas Politisches, auf der Strasse, in den Restaurants und Bars: fast ständig böse Blicke, wütende Reaktionen. Sie ist wieder das »skandalöse Mädchen« ihrer Jugend, nun aber ganz ohne Scham, mit einem Gefühl der Befreiung. Irgendwann erträgt er ihre frühere Schönheit nicht mehr, und sie erlebt bloss noch Wiederholung, obwohl er »ihr Engel ist, der die Vergangenheit heraufbeschwört, sie ewig leben lässt«. Und was heisst das für die Zukunft? Annie Ernaux bricht ihr letztes Tabu – radikal pointiert und prägnant erzählt sie von einer skandalösen Liebesbeziehung, einer ambivalenten Rückkehr in die eigene Vergangenheit und der triumphalen Überwindung einer lebenslangen Scham.
6.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Spurlos in Neapel *
von Franco Supino, S 256
Was wäre in Neapel aus ihm geworden, in der Stadt seiner Eltern? Als Kind plagte ihn die Angst, die Schweiz und alle seine Freunde verlassen zu müssen. Darum war es für ihn wie eine Befreiung, als 1980 in Süditalien die Erde bebte und innerhalb von neunig Sekunden die Rückkehrpläne der Eltern in Schutt und Asche lagen. Nach dem Tod des Vaters, viele Jahre später, begibt sich der Erzähler auf Spurensuche nach Neapel, eine Stadt, deren Sprache er spricht, deren Gesetze ihm aber fremd sind. Unter den vielen Geschichten, die er hier hört, lässt ihn eine nicht mehr los, die Geschichte von Antonio Esposito: ein gestohlenes Migrantenkind aus Westafrika, das in eine Camorrafamilie aufgenommen wurde, eine kriminelle Karriere machte und dann spurlos verschwand. Was ist aus diesem Antonio geworden? Ist er tot? Hat er eine neue Identität angenommen? Oder ist er untergetaucht im hoffnungslos überfüllten Castel Volturno, als Namenloser unter Tausenden von afrikanischen Migranten?
Fazit: ich habe das Buch nicht fertig gelesen, fand es zu langweilig.
5.
Portugiesische Literatur 🇵🇹
Für Isabel *
von Antonio Tabucchi, S 176
Der Schriftsteller Waclaw Slovacki ist auf der Suche nach der Frau, die er einst liebte und die im faschistischen Portugal unter Salazar spurlos verschwand. Zwischen Lissabon, Macao und Neapel sucht er jene, die Isabel kannten darunter ihre Kinderfrau, ein philosophierender Fotograf und ein Dichter, mehr Geist als Mensch. Doch ist die Geschichte eines Menschen auch seine Wahrheit? Und Isabel am Ende nur der Traum eines Dichters? Dieser Roman aus Tabucchis Nachlass ist so kunstvoll wie bewegend, ein Verwirrspiel aus Wahrheit und Erzählung über die Sehnsucht, der Wirklichkeit durch Geschichten ein Gesicht zu geben.
Fazit: wunderschön geschriebener Roman, ein Schriftsteller zum entdecken.
4.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Der Apfelbaum *
von Christian Berkel, S 416
Jahrelang bin ich vor meiner Geschichte davongelaufen. Dann erfand ich sie neu.
Für den Roman seiner Familie hat der Schauspieler Christian Berkel seinen Wurzeln nachgespürt. Er hat Archive besucht, Briefwechsel gelesen und Reisen unternommen.Entstanden ist ein grosser Familien-roman vor dem Hintergrund eines ganzen Jahrhunderts deut-scher Geschichte, die Erzählung einer ungewöhnlichen Liebe.
Berlin 1932: Sala und Otto sind dreizehn und siebzehn Jahre alt, als sie sich ineinander verlieben. Er stammt aus der Arbeiterklasse, sie aus einer intellektuellen jüdischen Familie. 1938 muss Sala ihre deutsche Heimat verlassen, kommt bei ihrer jüdischen Tante in Paris unter, bis die Deutschen in Frankreich einmarschieren. Während Otto als Sanitätsarzt mit der Wehrmacht in den Krieg zieht, wird Sala bei einem Fluchtversuch verraten und in einem Lager in den Pyrenäen interniert. Dort stirbt man schnell an Hunger oder Seuchen, wer bis 1943 überlebt, wird nach Auschwitz deportiert. Sala hat Glück, sie wird in einen Zug nach Leipzig gesetzt und taucht unter.
Kurz vor Kriegsende gerät Otto in russische Gefangenschaft, aus der er 1950 in das zerstörte Berlin zurückkehrt. Auch für Sala beginnt mit dem Frieden eine Odyssee, die sie bis nach Buenos Aires führt. Dort versucht sie, sich ein neues Leben aufzubauen, scheitert und kehrt zurück. Zehn Jahre lang haben sie einander nicht gesehen. Aber als Sala Ottos Namen im Telefonbuch sieht, weiss sie, dass sie ihn nie vergessen hat.
Mit grosser Eleganz erzählt Christian Berkel den spannungsreichen Roman seiner Familie. Er führt über drei Generationen von Ascona, Berlin, Paris, Gurs und Moskau bis nach Buenos Aires. Am Ende steht die Geschichte zweier Liebender, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch ihr Leben lang nicht voneinander lassen.
Fazit: wunderbar und spannend geschrieben.
3.
Deutsches Sachbuch 🇩🇪
Selbstfreundschaft *
Wie das Leben leichter wird
von Schmid Wilhelm, S. 126
Mit seinem neuen Buch führt Wilhelm Schmid die Überlegungen in seinem Bestseller Gelassenheit fort und weist den Weg zu einer echten Freundschaft mit sich selbst: Die Basis der Gelassenheit ist die freundliche, verlässliche Beziehung zu sich. Sie begründet ein Selbstvertrauen, das einen besseren Umgang mit sich selbst ermöglicht und auch ein besseres Miteinander. Ermutigen kann die Idee der Selbstfreundschaft alle, die sich erschöpft und ausgebrannt fühlen. Balsam kann sie für diejenigen sein, für die das Selbst zur Wunde geworden ist, zugefügt von Anderen, vom Leben, von unguten Verhältnissen. Eine Perspektive kann die Stärkung der Selbstbeziehung denen bieten, die mit sich allein zurechtkommen müssen. Nicht zuletzt kann sie Menschen weiterhelfen, die nur Selbstverzicht und Pflichterfüllung kennengelernt haben und es als Befreiung ihres Lebens empfinden, sich auch um sich selbst kümmern zu dürfen, ohne sich den Gefahren einer übertriebenen Selbstliebe aussetzen zu müssen.
2.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Irgendwann werden wir uns alles erzählen *
von Daniela Krien, S 272
Eine Liebe, die alles hinwegfegt. Zu einem Mann, der mehr als doppelt so alt ist wie Maria und der ein dunkles Geheimnis trägt. Während die Weltgeschichte im heissen Sommer 1990 Atem holt, während ein ganzes Land sich umwälzt und die Atmosphäre vibriert von Möglichkeiten, wird ein junges Mädchen zur Frau und Geliebten. Es geschieht Erschütterndes, aussen wie im Inneren, und die fatale Verstrickung der zwei Liebenden endet brutal.
Fazit: sehr spannend, auch grob und brutal geschrieben.
1.
Ukrainische Literatur 🇺🇦
Graue Bienen *
von Andrey Kurkow, S 448
Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schiessen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen – sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen dorthin bringen, wo sie in Ruhe Nektar sammeln können.
Fazit: sehr schön geschriebener Roman, aktuell, braucht Geduld zum Lesen.