Schweizer Literatur 🇨🇭
Eine Familie
Von Pascale Kramer, 192 S
Pascale Kramer legt in ihrem hochgelobten mehrstimmigen Roman die Gefühle jedes einzelnen für den so geliebten
wie gehassten Sohn und Bruder frei. Im Moment der Geburt der kleinen Jeanne untergraben Schuldgefühle, Trauer, Wut und Sorge das Schweigen und das Nie-Gesagte. Das neuralgische Konstrukt einer
Familie gerät ins Wanken.Ein Tag des Glücks für Danielle und Olivier, könnte man denken, an dem ihre Tochter Lou ein Kind zur Welt bringt. Die ganze Familie kommt in Bordeaux zusammen: Mathilde
hat sich in Barcelona in den Nachtbus gesetzt, Edouard reist aus Cahors an. Allein, der älteste Bruder fehlt, und sein Schatten ist mächtig. Romain, einst verträumtes Kind, der sich rührend um
seine Geschwister kümmerte, trank sich schon als Jugendlicher ins Koma. Alle verwickelte er sie in ein Lügennetz, bis er fortging und in Paris auf der Strasse landete. Nun ist er wieder in der
Gegend, beteuert, sein Leben endlich in die Hand zu nehmen, als ein Anruf die aufkeimende Hoffnung zunichte macht.
Fazit: Einfach wunderbar geschrieben!
Schweizer Literatur 🇨🇭
Der Sprung
Von Simone Lappert, 336 S *
Eine junge Frau steht auf einem Dach und weigert sich herunterzukommen. Was geht in ihr vor? Will sie springen? Die Polizei riegelt das Gebäude ab, Schaulustige johlen, zücken ihre Handys. Der Freund der Frau, ihre Schwester, ein Polizist und sieben andere Menschen, die nah oder entfernt mit ihr zu tun haben, geraten aus dem Tritt. Sie fallen aus den Routinen ihres Alltags, verlieren den Halt – oder stürzen sich in eine nicht mehr für möglich gehaltene Freiheit.
Fazit: Zu Recht stand dieses Buch auf der Shortlist für den Schweizer Literaturpreis 2019. Wunderbar geschrieben, kunstvoll aufgebaute Geschichten, die zu einem Ganzen führen, dazu noch voll Spannung. Unbedingt lesen!
Schweizer Literatur 🇨🇭
Ich komme mit
von Angelika Waldis, 224 S *
Seit 42 Jahren wohnt Vita Maier in dem Haus in der Torstrasse 6. Als junge Mutter ist sie hier eingezogen. Doch längst ist der Sohn aus dem Haus, der Mann unter der Erde. Für ihren Nachbarn, den Studenten Lazy, ist Vita die Alte von oben, denn für Lazy gibt es nur seine Freundin Elsie. Doch so plötzlich, wie die Liebe kam, und ebenso heftig, kommt die Krankheit. Sie verscheucht Elsie und die Zukunft. Im Treppenhaus liest Vita einen mageren, erschöpften Lazy auf und nimmt ihn zu sich, um ihn mit Wurstbroten aufzupäppeln. Eine ungewöhnliche, lustige und seltsam innige Freundschaft entsteht. Dann kommt der Tag, an dem ein neues Blutbild die Zuversicht kaputt macht. »Ich steige aus«, sagt Lazy. »Ich komme mit«, sagt Vita. Und so begeben sich zwei Lebensmüde auf eine verrückte letzte Reise.
Fazit: ein humorvoll geschriebenes Buch zu einem ernsten Thema, wobei es etwas dauerte bis ich den Humor begriff. Auch die rupige Sprache ist etwas speziell, unterstreicht aber die Charaktere. Das Buch hat mir auf seine Art gefallen.
Israelische Literatur 🇮🇱
Drei
von Dror Mishani, 336 S *
Eine Frau sucht ein wenig Trost, nachdem ihr Mann sie und ihren Sohn verlassen hat. Eine zweite Frau sucht nach einem Zuhause und nach einem Zeichen von Gott, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Eine dritte Frau sucht etwas ganz anderes. Sie alle finden denselben Mann. Es gibt vieles, was sie nicht über ihn wissen, denn er sagt ihnen nicht die Wahrheit. Aber auch er weiss nicht alles über sie.
Fazit: spannende Ferienlektüre aus Israel mit unvorhersehbarem Ende. Interessant wie die Geschichte aufgebaut ist.
Australische Literatur 🇳🇿
Ein liebendes Tier
von Josphine Rowe, 208 S
Eine abgelegene Kleinstadt im Südwesten Australiens, Anfang der Neunzigerjahre. Jack Burroughs hat den Krieg, an dem er vor
mehr als zwanzig Jahren teilgenommen hat, nie überwunden. Als sein geliebter Hund eines Nachts von einem wilden Tier buchstäblich in Stücke gerissen wird, verliert er endgültig die Kontrolle über
sein verpfuschtes Leben. Vor Weihnachten verschwindet er spurlos – genau wie früher schon, nur fürchtet seine Tochter Ruby, dass es diesmal endgültig ist. Schliesslich funktioniert die Familie
schon lange nicht mehr. Evelyn, Jacks Frau, fühlt sich um das bessere Leben betrogen, das sie eigentlich hätte leben sollen. Früher hat sie ihre ältere Tochter Lani losgeschickt, wenn Jack sich
davongemacht hatte, weil er die Schreie der Vergangenheit nicht mehr aushalten konnte. Heute verkauft Lani auf Partys die Beruhigungstabletten ihres Vaters und ist vor allem darauf aus, in
Schwierigkeiten zu geraten …
Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich, aber nicht immer ist das Schicksal einer Familie unausweichlich. Josephine Rowes eindringlich erzählter Roman handelt von Liebe
und Verlust, von enttäuschten Träumen und dem fehlenden Mut, diese zu überwinden. Ein schmaler Roman mit grossem Resonanzraum.
Fazit: ein knallharte Geschichte und Schreibstil, schwer zu verdauen und zu lesen.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Ein anständiger Mensch *
von Jan Christophers, 352 S
Steen Friis ist studierter Philosoph und öffentlicher Intellektueller: Als Autor mehrerer Bestseller zu Fragen des Anstands wird er von der Presse zitiert, sobald die richtige Haltung zum aktuellen Weltgeschehen zur Debatte steht. In dieser Rolle fühlt Steen sich wohl – bis die Ereignisse weniger Tage all seine Werte infrage stellen. Mit seiner Frau und einem befreundeten Paar verbringt er ein Wochenende in seinem dänischen Inseldomizil. Man plaudert und geht gemeinsam in die Pilze, und ganz beiläufig erinnert seine Frau ihn an ein altes Versprechen: sich gegenseitig auch in der Liebe die grösstmögliche Freiheit zu lassen. Noch bevor Steen sich über die ganze Tragweite dieses Gesprächs bewusst wird, geschieht ein Unglück, an dem er sich allein schuldig wähnt und das nicht nur sein Ego, sondern sein gesamtes Weltbild zu erschüttern droht.
Fazit: ein tolles Buch, eine präzise Sprache für die Naturbeschreibungen und die Psyche der Menschen.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Sozusagen Paris *
von David Germania, 352 S
Ein Schriftsteller hat einen Roman geschrieben über die grosse Liebe seiner Jugend. Nach einer Lesung steht eine Frau vor ihm, die er nicht erkennt. Aber sie ist es trotzdem. Er ist jetzt Autor, sie ist seine Romanfigur – und aus dem jungen Mädchen von damals ist ganz offensichtlich eine interessante, auch anziehende, aber verheiratete Frau geworden. Die Situation wird etwas komisch: Man setzt sich zusammen, trinkt ein Glas Wein, redet über französische Liebesromane, fragt sich, was man von der Liebe erwartet, wenn man älter geworden ist, Juttas Mann sitzt im Nebenzimmer – wie soll das alles enden? Navid Kermani schreibt einen Liebesroman ganz eigener Art, tiefgründig, überraschend, witzig.
Fazit: hat mir nicht gefallen, darum auch nit fertig gelesen.
Guatemalisch/Amerkanische Literatur 🇬🇹 🇺🇸
Duell
von Eduardo Halfon, 112 S
Er hiess Salomon. Er starb, als er fünf war, ertrunken im Amatitlán-See. So bekam ich es als Kind in Guatemala erzählt. Wie passt das zusammen mit dem Foto eines traurigen Jungen im Schnee von New York im Jahr 1940, dessen Kopf aussieht wie der eines Erwachsenen? Um die wahre Geschichte seines Onkel Salomons zu erfahren, fährt der Erzähler zum Haus seiner Grosseltern am Amatitlán-See und befragt eine uralte Kräutersammlerin, die von unzähligen ertrunkenen Kindern weiss, doch nichts von Salomon. Was ist mit dem verschwundenen Onkel passiert und warum schweigt die Familie über sein Schicksal? Eduardo Halfons preisgekrönter Roman ist ein atemberaubendes Duell zwischen Erfindung und Wahrheit.
Fazit Dies ist kein Krimi, sondern literarisch verarbeitete Kindheitserinnnerungen vom Feinsten.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Jahre ohne Winter
Von Lorenz Leutenegger, 160 s
Jakob Walter läuft nicht schneller, liebt nicht tragischer und ist nicht klüger als andere. Zum Helden taugt er nur in seinem Alltag. Bis ihn
eines Tages ein unerwarteter Anruf erreicht: Ursula ist krank, sie braucht dringend eine Stammzellenspende, und er, Jakob, muss ihre Tochter Edith finden. Dass Edith seine Exfrau ist und dass er
seit fünf Jahren kein Wort mit ihr gewechselt hat, ist das eine Problem. Das andere: Sie ist in Australien, um an einer Schweigemeditation im Outback teilzunehmen. Und: Das Outback ist gross,
Australien ist weit weg, und Jakob Walter fliegt nicht gern. Aber wie jeder andere träumt er manchmal davon, ein Abenteurer zu sein – und wer weiss, vielleicht rettet er ja nicht nur das Leben
seiner ehemaligen Schwiegermutter, sondern auch seine verflossene Liebe.
Es wäre ihm zu wünschen, denn liebenswert ist Jakob Walter, der Held wider Willen, unbedingt. »Menschenfreundlich? Literatur geht auch so? Herrlich!«, schrieb der Spiegel zu Langeneggers erstem
Roman. Das gilt bis heute.
Fazit: Trotz des brisanten Themas beginnt das Buch gemütlich, nimmt Fahrt und Spannung auf und gipfelt in einem unterschwellig spürbaren Ende.
Amerikanische Literatur 🇺🇸
Archiv der verlorenen Kinder *
von Valerie Luiselli, 400 S
Eine Familie aus New York bricht zu einer Reise auf. Das Ziel ist Apacheria, das Land, in dem einst die Apachen zu Hause waren. Gleichzeitig sind Tausende von Kindern aus Südamerika auf dem Weg in den Norden. Meisterhaft verknüpft Archiv der verlorenen Kinder Reise und Flucht zu einem vielschichtigen Roman voller Echos und Reflektionen.
Eine Mutter, ein Vater, ein Junge und ein Mädchen packen in New York ihre Sachen ins Auto und machen sich auf in die Gegend, die einst die Heimat der Apachen war. Sie fahren durch Wüsten und Berge, machen Halt an einem Diner, wenn sie Hunger haben, und übernachten, wenn es dunkel wird, in einem Motel. Das kleine Mädchen erzählt Witze und bringt alle zum Lachen, der Junge korrigiert jeden, der etwas Falsches sagt. Vater und Mutter sprechen kaum miteinander.
Zur gleichen Zeit machen sich Tausende von Kindern aus Zentralamerika und Mexiko nach Norden auf, zu ihren Eltern, die schon in den USA leben. Jedes hat einen Rucksack dabei mit einem Spielzeug und sauberer Unterwäsche. Die Kinder reisen mit einem Coyote: einem Mann, der ihnen Angst macht. Sie haben einen langen Marsch vor sich, für den sie sich Essen und Trinken einteilen müssen. Sie klettern auf Züge und in offene Frachtcontainer. Nicht alle kommen bis zur Grenze.
Mit literarischer Virtuosität verknüpft Valeria Luiselli Reise und Flucht zu einem vielschichtigen Roman voller Echos und Reflektionen, zu einer bewegenden und brandaktuellen Geschichte darüber, was Flucht und was Menschlichkeit bedeuten in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist.
Fazit: Auch im zweiten Anlauf schaffte ich es nicht dieses Buch fertig zu lesen.
Österreichische Literatur 🇦🇹
Die Bagage
von Monika Helfer, 160 S
Josef und Maria Moosbrugger leben mit ihren Kindern am Rand eines Bergdorfes. Sie sind die Abseitigen, die Armen, die Bagage. Es ist die Zeit des ersten Weltkriegs und Josef wird zur Armee eingezogen. Die Zeit, in der Maria und die Kinder allein zurückbleiben und abhängig werden vom Schutz des Bürgermeisters. Die Zeit, in der Georg aus Hannover in die Gegend kommt, der nicht nur hochdeutsch spricht und wunderschön ist, sondern eines Tages auch an die Tür der Bagage klopft. Und es ist die Zeit, in der Maria schwanger wird mit Grete, dem Kind der Familie, mit dem Josef nie ein Wort sprechen wird: der Mutter der Autorin. Mit grosser Wucht erzählt Monika Helfer die Geschichte ihrer eigenen Herkunft.
Fazit: eine ganze Familiengeschichte in einem so schmalen Buch zu beschreiben ist eine Kunst, und zu Herzen ging mir die Geschichte auch noch. Die Sprache der Autorin ist sehr zurückhaltend und gar nicht sentimental.
Deutsch/Schweizerische Literatur 🇩🇪 🇨🇭
Marta und Arthur
Von Katja Schönherr, 231 S
Katja Schönherr erzählt nüchtern und in grotesk-komischen Details. Dieser Roman nimmt uns so perfide an die Angel wie Marta ihren Arthur.« Brigitte WOMAN »Katja Schönherr hat einen Anti-Liebesroman geschrieben – den man verschlingt.« BARBARA »Wer sich auf diesen Sog einlässt, wird belohnt mit der vielversprechenden Nicht-Liebesgeschichte einer Autorin, die – anders als ihre Hauptfigur – die Last der Erzählung und die Lasten der Erinnerungen durchaus zu schultern weiss.« literaturkritik.de »Gekonnt spielt [Katja Schönherr] in ihrem Debüt mit Hoffnung und Frust und den Erwartungen, die man an Liebe und Familie hat. Ein Kammerspiel, das noch lange nachklingt.« Emotion »Katja Schönherr entfacht ein eisiges Drama, spannender als jeder Krimi.« Brigitte »Das Erstaunliche an diesem gekonnt erzählten Roman ist, dass der Leser von Anfang an gefangen genommen wird von dieser düsteren Beziehungsgeschichte und bis zuletzt gespannt bleibt auf Erklärungen für die selbstzerstörerischen Verhaltensweisen von Marta und Arthur und auf den Ausgang des dramatischen Geschehens.« Rheinische Post »Katja Schönherr wirft einen schonungslosen Blick auf die Zweisamkeit, die das Gegenteil von Liebe und gegenseitigem Respekt ist.« Hamburger Abendblatt »Die in Zürich lebende Autorin lotet eine desaströse Beziehung aus, über die man eigentlich gar nichts wissen will. Und doch entwickelt diese genaue Erzählung über zwischenmenschliche Dunkelzonen einen eigentümlichen Sog.« Bücher am Sonntag (NZZ)
Fazit: Sofort wird man in diesem Buch in einen Sog zum Weiterlesen gezogen. Aber Achtung, es ist nicht alles so wie es scheint und dazu sehr makaber. Da tun sich rabenschwarze Abgründe auf.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Die geheimen Leben der Schneiderin *
Angelika Waldi, 192 S
Tag für Tag sitzt die Schneiderin Jolanda Hansen in ihrem Atelier und ändert Kleider. »Zweimal Langarm mit Manschette« steht im Auftragsbuch, dessen hintere Seiten für Dinge reserviert sind, die Jolie niemals aussprechen würde. Versteckte Wahrheiten über ihre Kunden zum Beispiel. Und Fragen zu Franz, ihrem grossen Bruder, der mit siebzehn von einem Badeausflug nicht zurückkam.
Als Jolie zum achtzigsten Geburtstag der Eltern eine grosse Familienfeier vorbereitet, kann sie das allgemeine Schweigen nicht mehr ertragen. Was, wenn Franz damals gar nicht ertrunken, sondern fortgegangen ist? Nach all den Jahren begibt sie sich auf die Suche, trennt ihr sauber umsäumtes Leben auf und findet viel Verborgenes.
Fazit: dieses frühere Werk von Angelika Waldis hat mir gut gefallen. Das Buch kommt ab Seite 50 in Fahrt, hat einige überraschende Handlungsideen. Auch der spezielle Stil von A. Waldis spricht mich an.
Amerikanische Literatur 🇺🇸
Die Altruisten
Von Andrew Ridker, 440 S
Das erste Familientreffen nach zwei Jahren Funkstille. Maggie und Ethan haben nach dem Krebstod der Mutter den Kontakt zum Vater abgebrochen. Doch jetzt steht Arthur Alter vor dem finanziellen Aus, und ihm wird schlagartig klar: Er ist auf die Hilfe seiner Kinder angewiesen. Unter dem Vorwand, sich mit ihnen versöhnen zu wollen, lädt er sie ein. Der eigentliche Grund: die Geschwister zu überreden, ihm das Erbe zu überlassen, damit er das Haus, das voller Erinnerungen an das glückliche Familienleben steckt, vor der Bank retten kann. Jeder in seiner eigenen Welt voller Sorgen und Hoffnungen gefangen, treffen sich die drei an einem Wochenende. Schnell stürzt die erzwungen freundliche Fassade in sich zusammen …
Kühn, klug, komisch – Andrew Ridker ist mit seinem genial konstruierten Erstling ein grosser Wurf gelungen. »Die Altruisten« ist eine mit feiner Ironie erzählte Familiengeschichte über den Konflikt zwischen Babyboomern und Millennials, über die Kraft von familiären Banden, über Glaube und Vernunft, Privilegien und Politik – und über die Frage, was es kostet, ein guter Mensch zu sein.
Fazit: ein schönes und humorvolles Buch, anspruchsvoll u zu Beginn braucht es etwas Ausdauer bis man sich wohl fühlt beim Lesen. Doch dann geht’s los und zwar deftig, so dass man bis zuletzt angespannt bleibt, Lesenwert für anspruchvolle Leser.
Amerikanische Literatur 🇺🇸
Der Freund *
Von Sigirid Nunez, 235 S
New York Times-Bestseller und Gewinner des National Book Award: Eine Frau, die um ihren Freund trauert, ein riesiger Hund - und die berührende Geschichte ihres gemeinsamen Wegs zurück ins Leben Als die Ich-Erzählerin, eine in New York City lebende Schriftstellerin, ihren besten Freund verliert, bekommt sie überraschend dessen Hund vermacht. Apollo ist eine riesige Dogge, die achtzig Kilo wiegt. Ihr Apartment ist eigentlich viel zu klein für ihn, außerdem sind Hunde in ihrem Mietshaus nicht erlaubt. Aber irgendwie kann sie nicht Nein sagen und nimmt Apollo bei sich auf, der wie sie in tiefer Trauer ist. Stück für Stück finden die beiden gemeinsam zurück ins Leben. Ein Roman über Liebe, Freundschaft und die Kraft des Erzählens und die tröstliche Verbindung zwischen Mensch und Hund. "Auf fast jeder Seite wollte ich mir mehrere Sätze anstreichen, bis ich es irgendwann gelassen habe, man kann ja nicht ein ganzes Buch anstreichen. Es handelt von Freundschaft, Trauer und Schreiben, könnte nicht knapper und eleganter formuliert sein." Johanna Adorján "Mit "Der Freund" ist Sigrid Nunez über Nacht berühmt geworden als Titanin der amerikanischen Gegenwartsliteratur." The New York Times "Eine der schwindelerregend genialsten Autorinnen überhaupt." Gary Shteyngart"Nunez erzählt über das Schreiben, das Lesen, die Freundschaft, den Tod und das Leben. Man gleitet durch Nunez' ruhige, weise Sätze und den Raum, den sie dem Leser lässt. Dort ist man ganz bei sich, und neben den vielen Dingen, die dieses Buch einen lehrt, versteht man auch endlich den Hype um den Begriff Achtsamkeit." Jackie Thomae, SZ "Nunez' Art zu schreiben hat etwas Erhebendes, ihr direkter und entschiedener Stil, die Musikalität in ihren Sätzen und ihre lebenskluge Intelligenz sind beglückend." The New York Times Book Review.
Fazit: von diesem hochgelobten Buch habe ich überhaupt nichts kapier.
Literatur aus Venezuela/Spanien 🇻🇪🇪🇸
Nacht in Caracas *
von Karina Saint Borgo, 224 S
Adelaida beerdigt ihre Mutter, aber sie bleibt nur kurz am Grab stehen. Auf dem Friedhof ist es gefährlich, genau wie an jedem anderen Ort in Venezuela. Noch vor kurzem kamen die Menschen aus Europa, um hier ihr Glück zu machen. Nun versinkt das Land in Chaos und Elend. Als Adelaida gewaltsam aus ihrer Wohnung vertrieben wird, weiss sie nicht wohin. Alles, was sie geliebt hat, existiert nur noch in ihrer Erinnerung. Wenn sie sich retten will, bleibt ihr nur die Flucht.
Karina Sainz Borgos Roman »Nacht in Caracas« ist ein intensives literarisches Debüt über das Schicksal einer jungen Frau und ein virtuoses Portrait eines untergehenden Landes.
Fazit: In diesem Roman wird das ohnmächtige Gefühl der Machtlosigkeit so eindringlich beschrieben, dass man kaum aufhören kann mit Lesen. Nichts für zarte Gemüter.
Literatur aus Nordirland 🇮🇪
Milchmann *
von Anna Burns, 452 S
Eine junge Frau zieht ungewollt die Aufmerksamkeit eines mächtigen und erschreckend älteren Mannes auf sich, Milchmann. Es ist das Letzte, was sie will. Hier, in dieser namenlosen Stadt, erweckt man besser niemandes Interesse. Und so versucht sie, alle in ihrem Umfeld über ihre Begegnungen mit dem Mann im Unklaren zu lassen. Doch Milchmann ist hartnäckig. Und als der Mann ihrer älteren Schwester herausfindet, in welcher Klemme sie steckt, fangen die Leute an zu reden. Plötzlich gilt sie als »interessant« – etwas, das sie immer vermeiden wollte. Hier ist es gefährlich, interessant zu sein.
Eine junge Frau zieht ungewollt die Aufmerksamkeit eines mächtigen und erschreckend älteren Mannes auf sich, Milchmann. Es ist das Letzte, was sie will. Hier, in dieser namenlosen Stadt, erweckt man besser niemandes Interesse. Und so versucht sie, alle in ihrem Umfeld über ihre Begegnungen mit dem Mann im Unklaren zu lassen. Doch Milchmann ist hartnäckig. Und als der Mann ihrer älteren Schwester herausfindet, in welcher Klemme sie steckt, fangen die Leute an zu reden. Plötzlich gilt sie als »interessant« – etwas, das sie immer vermeiden wollte. Hier ist es gefährlich, interessant zu sein.
Fazit: dieses Buch konnte ich nicht weiter lesen. Knallharte Geschichte und Sprache, einfach nichts für mich.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Der Staubwedel muss mit *
Von Christopher Schwyzer, 192 S
Ein Altersheim, unzählige Einzelzimmer. Im Sessel vor dem Fenster träumt Herr Strub von seiner Zeit als Fremdenlegionär in Saida. Frau Zürcher legt sich nach dem Frühstück gleich wieder ins Bett, liest einen Kioskroman nach dem anderen und lebt von Liebe, Linzertörtchen und Lindenblütentee. Mit dem Leben längst abgeschlossen hat Frau Herger; zum Glück hat sie ihren Kummer. Womit sollte sie sich sonst den ganzen Tag beschäftigen? Frau Knobel sagt über sich selbst: Gearbeitet habe ich immer, meistens im Büro, verheiratet war ich nie, bin also immer noch zu haben. Und Sepp kann es nicht fassen, dass ihm dieses Weib vom Verein Frohes Alter zu seinem Neunzigsten keine Flasche Wein geschenkt hat. - Nur eines scheint gewiss: Widersprüche und Sehnsüchte, Heiterkeit und Trauer gehören zum Leben. Und erst mit dem Tod endet die Suche nach jener besseren Welt.
Fazit: Die kurzen Geschichten sind humorvoll und trotzdem machen sie mich nachdenklich. Ja wie wird es mir wohl einmal ergehen im hohen Alter und an was werde ich mich erinnern?
SchweizerLiteratur 🇨🇭
Unter offenem Himmel *
von Katharina Geiser, 320 S
Klara ist Buchhändlerin. Sie ist unverheiratet (das hat sie sich schon als Kind so geschworen), aber sie ist nicht ohne Männer geblieben. Einen gibt es, Paul, von dem kommt sie nicht los, obwohl er nur noch eine ferne Erinnerung aus der Vergangen-heit ist. Um zu verstehen, was sie mit ihm verbindet, fährt sie in den hohen Norden Deutschlands, in den Winkel, aus dem er gekommen ist, bevor er für immer verschwand.
Vom Verschwinden handelt auch die Geschichte von Elise mehr als hundert Jahre davor. Nach dem Tod ihrer Mutter verlässt sie das Dorf, den
Vater, die vielen Geschwister, das eigene uneheliche Kind. Für eine bessere Zukunft will sie sich in Zürich prostituieren und findet dabei einen Mann, mit dem sie eine Familie gründet, deren
Geschichte mit Klara bis in die Gegenwart reicht.
»Unter offenem Himmel« ist ein Roman über das Suchen und Finden und das Geheimnis, dass über die Zufälle und Wechselfälle des Lebens hinweg immer alles aufgehoben scheint wie in einem Buch ohne
Anfang und Ende.
Fazit: für mich ein wunderbar geschriebenes Buch, mit einzelnen Längen, die man überlesen kann.
Japanische Literatur 🇯🇵
Die Insel der Freundschaft *
von Durian Sukegawa
Irgendwo im Pazifischen Ozean befindet sich die japanische Insel Aburi, ein aus der Zeit gefallenes Fleckchen Erde. An diesem Ort bestimmen
die Natur, die Witterung und das Meer das Leben - und die strikten Traditionen der Einheimischen. Der junge Ryosuke, der seine Stelle als Koch in einem Restaurant in Tokio verloren hat, nimmt
hier einen Job als Bauarbeiter an. Nicht ganz ohne Hintergedanken: Hashi, ein Freund seines toten Vaters, lebt auf Aburi. Doch bevor er sich auf die Suche nach ihm macht, gilt es, sich auf
der Insel einzugewöhnen. Was nicht eben einfach ist: Die Arbeit ist hart, die Einheimischen beäugen ihn skeptisch und einzig die Freundschaft zu zwei seiner Kollegen stellt einen Lichtblick
dar.
Als Ryosuke den alten Hashi schließlich trifft, ist dies eine Begegnung mit der Vergangenheit und einer möglichen Zukunft zugleich. Hashi besitzt eine kleine Ziegenherde, stellt selbst Käse her
und verdingt sich als Fischer. Ryosuke bekommt eine Ahnung davon, wie ein anderes Leben aussehen könnte, eines, das ihn erfüllt: ein Leben mit einer Aufgabe, im Einklang mit der Natur und ohne
das stetige Hadern mit sich. Aber ein Neuanfang ist nicht leicht, wenn die Verletzungen der Vergangenheit noch nachwirken.
Fazit: eine etwas melancholische , fast kitschige Angelegenheit. Sein erstes Buch „Kirschblüten und rote Bohnnen hat mir wesentlich besser gefallen.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Die Baronin im Tresor / Betty Lambert, gesch. Bonstetten
von Franziska Streun, 360 S
Das Leben der aus dem Pariser Zweig der Rothschild-Dynastie stammenden Baronin Betty Lambert, geschiedene von Bonstetten, geschiedene von Goldschmidt-Rothschild, spiegelt die Geschichte des 20. Jahrhunderts wider. Die jüdische Adlige floh nach dem Ersten Weltkrieg aus ihrer arrangierten ersten Ehe von Frankfurt am Main in die Schweiz und lebte während Jahrzehnten auf dem Bonstettengut in Thun/Gwatt. Dort hielt sie Hof, empfing das internationale Geistesleben, half Verfolgten auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus, fungierte als informelle nachrichtendienstliche Anlaufstelle und wurde ihrerseits vom Schweizer Geheimdienst kritisch beobachtet.
Das Gästebuch der Grande Dame vom Thunersee liest sich wie ein ‹Who is Who› der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Marc Chagall, Greta Garbo, Carl Zuckmayer, Alexander von Stauffenberg oder US-Geheimdienstchef Allen Welsh Dulles.
Fazit: Wer hätte gedacht, was für eine spannende Geschichte das Bonstettengut hat. Das Buch ist eine Zeitgeschichte von ca .1850 – 1960 und ist recht spannend geschrieben, zeitweise ein wenig viele Aufzählungen von berühmten Personen. Hingegen die Charaktere und der geschichtliche Hintergrund sind sehr gut ausgearbeitet. Hat mir gut gefallen.
Amerikanische Literatur 🇺🇸
Emily, allein *
von Stewart O’Nan, 385 S
Die Witwe Emily Maxwell führt in ihrem schönen, überschaubaren Routine-Universum ein ziemlich unspektakuläres Leben, allein mit ihrem Hund. Ab und zu trifft sie sich mit ihrer Schwägerin zum Essen, aber das ist es dann auch schon. Als diese bei einem gemeinsamen Frühstück zusammenbricht und ins Krankenhaus muss, ist Emily mit einem Mal ganz auf sich allein gestellt. Doch statt zu verzagen, kauft sie sich ein kleines Auto. Und sie lernt, die bislang noch nie erfahrene Unabhängigkeit in vollen Zügen zu geniessen.
Fazit: es passiert eigentlich nichts besonderes in dieser Geschichte und doch erzählt der Autor sehr einfühlsam, was das Leben im „Alter“ so mit sich bringt. Gut verständlich, braucht aber etwas Ausdauer.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Fliegen, bis es schneit *
von Neeser Andreas, 208 S
Isabelle Meisters Leben verläuft in geordneten Bahnen. Ihre Ehe mit Simon ist solide, ihr Job abwechslungsreich, und auch der Traum vom eigenen Haus mit Garten und Kinderschaukel scheint bald schon Wirklichkeit zu werden. Da begegnet ihr am Bahnsteig ein smarter Musiker mit graumelierten Schläfen, dessen leidenschaftliche Avancen sie zunächst faszinieren. Der Flötist aber entpuppt sich als obsessiver Erotomane, der die lebensfrohe Isabelle verfolgt und bedroht. Verletzt und verunsichert in ihrer gesamten Existenz, geht sie dennoch weiter ihren Weg auf dem schmalen Grat zwischen Selbstverlust und Autonomie, Angst und Zuversicht. Andreas Neeser legt einen packenden Roman vor, der exemplarisch die Fallhöhe des Glücks vorführt und mit beeindruckender Tiefenschärfe die Suchbewegungen einer jungen Frau auslotet. Einmal mehr beweist Neeser darin sein Gespür für eine subtile Dramaturgie der Innerlichkeit. Nicht zuletzt ist Fliegen, bis es schneit ein Buch, das bei aller Abgründigkeit Lust macht auf den Reichtum des Lebens.
Fazit: Ein guter Roman, schöne Sprache, aber nicht ganz einfach zu Lesen
Niederländische Literatur 🇳🇱
Nach Matthias *
Von Peter Zantingh, 256 S
Was von uns bleibt, wenn wir nicht mehr da sind. Eine neue, aufrüttelnde Stimme aus den Niederlanden, ein Roman, der mitten ins Herz zielt.
Amber singt bei einem Konzert gegen ihren Schmerz an; Quentin läuft Kilometer um Kilometer, um der Trauer zu entkommen, und Kristianne möchte die wahre Geschichte ihres Sohnes erzählen. Diese Leben und das von fünf weiteren Menschen überkreuzen sich durch Mattias' plötzlichen Tod auf schicksalhafte Weise. Wie Puzzlesteine fügen sich ihre Geschichten zu einem Abbild von Mattias und werden trotz aller Trauer zu Zeugen seiner Begeisterungsfähigkeit und seines unbeugsamen Mutes, sich dem Leben jeden Tag vorbehaltlos hinzugeben.
Fazit: dies ist ein Buch über Trauer, aber kein trauriges Buch. Einige Personen kamen mir nahe, andere weniger.
Amerikanische Literatur 🇺🇸
Sarah *
von Mc Clanhan Scott, 206 S
Ich weiss nur eine Sache übers Leben. Wenn du lang genug lebst, fängst du an, Dinge zu verlieren. Alles wird dir weggenommen: Zuerst verlierst du deine Jugend, dann deine Eltern, dann verlierst du deine Freunde, und am Ende verlierst du dich selbst.« So beginnt Scott McClanahans semiautobiografischer Roman über Sarah – seine erste Liebe, die Mutter seiner Kinder, seine Ex-Frau. Ein Buch über die Magie des Kennenlernens, über die Entstehung einer jungen Familie und ihre Auflösung. Genauso humorvoll wie traurig, tragisch wie hoffnungsreich, umspannt es den Bogen einer Existenz mit all ihren Höhenflügen und Absurditäten und entwirft so auch das Bild einer ganzen Generation. Mit ihren Sorgen und Hoffnungen, gefangen auf kleinstädtischen Walmart-Parkplätzen und in abgefuckten Kellern. Sehr amerikanisch und dabei universal. Eine frische, leichtfüssige und unerbittlich klare Stimme, wie man sie so noch selten gehört hat.
Fazit: Ja dieses Buch ist gut, fast sehr gut, aber überhaupt nicht mein Stil. Die Generation Alkohol und Drogen finde ich so fürchterlich, dass ich darüber gar nichts lesen mag.
Amerikanische Literatur 🇺🇸
Die Strasse *
Von Ann Petry, 384 S
Als alleinerziehende Mutter kämpft Lutie Johnson unerschütterlich für ihre eigene Würde und darum, ihren kleinen Sohn Bubb inmitten all der
Armut, Gewalt und rassistischen Verachtung, die sie umgibt, zu einem anständigen Menschen heranzuziehen. Schauplatz ist die 116th Street auf der Upper Westside in Manhattan. Keiner entrinnt
dieser verkommenen Welt, in der Menschen zwangsläufig roh und stumpf und zu kriminellen Verzweiflungstaten hingerissen werden. Lutie ist entschlossen, den Absprung in ein besseres Leben zu
schaffen, doch die Niedertracht der Strasse und die Bosheit eines menschenverachtenden Systems stellen sich ihr mit aller Macht in den Weg.
Ann Petry besitzt den unverwechselbaren Ton einer überragenden Erzählerin, ihr Stoff hat bis heute nichts von seiner erschütternden Dringlichkeit verloren.
Fazit: dieses Buch ist 1946 erstmals erschienen und ist eine Wucht. Die Themen sind bis heute aktuell.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Was uns betrifft *
von Laura Vogt, 210 S
Ein Haus auf dem Land, ein Mann, ein Kind - ist es das, was Rahel sucht, als sie hochschwanger zu Boris zieht und ihre Karriere als Jazzsängerin aufgibt? Nichts für mich, findet ihre Schwester Fenna, die eines Tages vor der Tür steht, um auf unbestimmte Zeit zu bleiben. Während sich Fenna an ihrer leidenschaftlichen und schwierigen Beziehung zu Luc abarbeitet und die Schwester mit ihrer ganz eigenen Sicht auf die Welt konfrontiert, kämpft Rahel seit der Geburt ihres zweiten Kindes mit einer postnatalen Depression und den Erinnerungen an ihre Kunst sowie an ihren Vater, der die Familie längst verlassen hat. Als auch noch die kranke Mutter an- und Boris mit den Kindern abreist, scheint Rahel den Boden unter den Füssen ganz zu verlieren. Was bedeutet es in der heutigen Zeit, Mutter zu sein? Was ist Weiblichkeit? Welche Beziehungen sind möglich, und wie bleibt man darin selbstbestimmt? Ein kluger zweiter Roman der Ostschweizer Autorin Laura Vogt.
Fazit: ein feiner, schöner Roman.
Russische Literatur 🇷🇺
Rote Kreuze *
Von Sasha Filipenko, 289 S
Alexander ist ein junger Mann, dessen Leben brutal entzweigerissen wurde. Tatjana Alexejewna ist über neunzig und immer vergesslicher. Die alte Dame erzählt ihrem neuen Nachbarn ihre Lebensgeschichte, die das ganze russische 20. Jahrhundert mit all seinen Schrecken umspannt. Nach und nach erkennen die beiden ineinander das eigene gebrochene Herz wieder und schliessen eine unerwartete Freundschaft, einen Pakt gegen das Vergessen.
Fazit: ich bin begeistert!
Schweizer Literatur 🇨🇭
Im Surinam *
von Nicolas Ryhiner, 264 S
Sklavenhalter, Bürger, Bigamist: Der Basler Handelsherr und Plantagenbesitzer Johann Rudolf Ryhiner erschiesst sich am 29. Juli 1824 in seinem Sissacher Landgut Schloss Ebenrain. Ihm droht eine Anklage wegen Bigamie, die nach geltender Rechtsprechung mit lebenslangem Zuchthaus bestraft wird. Er sieht Ruf und Leben zerstört. Als junger Mann hat er in Surinam Plantagen aus dem Familienbesitz übernommen. Die goldenen Zeiten des Kolonialismus neigen sich jedoch ihrem Ende zu, ein Verbot des Sklavenhandels steht unmittelbar bevor. Umtriebig versucht sich Johann Rudolf den neuen Zeiten anzupassen. Als er schliesslich ins heimatliche Basel zurückkehrt, ist dort nichts mehr, wie es war. Er baut neue Geschäfte auf, heiratet standesgemäss und ist respektierter Bürger. Dass er in Surinam bereits verheiratet ist und dunkelhäutige Kinder hat, kann er lange verbergen. Ausgehend von der dramatischen Nacht des Freitodes erzählt der temporeiche und atmosphärisch dichte Roman das Leben Johann Rudolfs rückwärts und zeichnet ein Sittenbild der Basler Oberschicht im frühen 19. Jahrhundert. Virtuos erzählter Roman nach historischen Begebenheiten.
Fazit: ein sehr interessanter Roman, mit "Histoire". Wer weiss schon, dass Schweizer Bürger auch "Koloniasten" waren und sich am Sklavenhaltertum beteiligt haben? Die Geschichte um Johann Rudolf Ryhiner ist sehr schön geschrieben.
Amerikanische Literatur 🇬🇧
Jenseits der Erwartungen *
von Richard Russo, 432 S
An einem Spätsommertag auf Martha’s Vineyard treffen sie sich wieder: Lincoln, Teddy und Mickey. Die drei Männer planen, das Wochenende in
einem Ferienhaus auf der Insel zu verbringen – um der alten Zeiten willen. Seit dem Studium zu Vietnamkriegszeiten sind sie miteinander befreundet. Sie sind sehr unterschiedliche Wege gegangen,
doch alle waren sie einst in dasselbe Mädchen verliebt, Jacy Calloway.
Kurz nach ihrem Abschluss verschwand Jacy spurlos. Aber keiner von ihnen hat die Freundin vergessen – oder die Frage, wen von ihnen Jacy eigentlich liebte. Schliesslich beginnt Lincoln, sich
erneut mit den Umständen ihres rätselhaften Verschwindens zu beschäftigen. Was ist damals wirklich passiert?
Richard Russo erzählt von drei Menschen, die sich fremd geworden sind, und vom Umgang mit der Unsicherheit, ob die eigenen Lebensentscheidungen die richtigen waren. Wie nebenbei ergibt sich
daraus das Porträt eines Landes, das sich selbst nicht mehr ganz versteht. Mit ›Jenseits der Erwartungen‹ zeigt Russo seine ganze Könnerschaft – als grosser Erzähler und als
Menschenkenner.
Fazit: hat mir sehr gut gefallen
Deutsche Literatur 🇩🇪
Sechzehn Wörter *
von Nava Ebrahimi, 320 S
Es gibt Wörter, die wir nicht kennen. Deren Bedeutung wir aber erahnen. Als wären sie immer schon hier gewesen. Als hätten sie schon immer in uns gewohnt. Und manchmal wollen sie endlich ausgesprochen werden.
Als ihre Grossmutter stirbt, diese eigenwillige Frau, die stets einen unpassenden Witz auf den Lippen hatte, beschliesst Mona, ein letztes Mal in den Iran zu fliegen. Gemeinsam mit ihrer Mutter wagt sie die Reise in die trügerische Heimat. Der Rückflug in ihr Kölner Leben zwischen Coworking und Clubszene ist schon gebucht. Doch dann überredet sie ihr iranischer Langzeitliebhaber Ramin zu einem Abschiedstrip nach Bam, in jene Stadt, die fünf Jahre zuvor von einem Erdbeben komplett zerstört wurde. Und Monas Mutter schliesst sich den beiden an. Die Fahrt wird für Mona zu einer Konfrontation mit ihrer eigenen Identität und ihrer Herkunft, über die so vieles im Ungewissen ist. Aber manchmal wird uns das Fremde zum heimlichen Vertrauten. Und über das, was uns vertraut schien, wissen wir so gut wie nichts.
Fazit: hat mir ganz gut gefallen, die unerträgliche Wiederholung der „ordinären Wörter“ weniger.
Schweizer Sachbuch 🇨🇭
Reden wir über das Sterben *
von Kathryn Schneider-Gurewitsch, 160 S
Als Kathryn Schneider-Gurewitsch zum dritten Mal an Krebs erkrankt, weiss sie, dass er diesmal unheilbar ist. Es wird ihr klar, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Wie viele Menschen wünscht sie sich einen guten Tod. Aber was heisst das konkret, wenn es dem Ende zugeht?
Sie beginnt ihre Erfahrungen als Ärztin, die jetzt eine Patientin ist, niederzuschreiben. Als Fachfrau, die beide Seiten kennt, geht sie den wichtigen Fragen am Lebensende nach: Was wünschen sich Sterbende, und was erleben sie in Realität? Wie sterben Ärztinnen und Ärzte selbst? Was verhindert, dass sich Arzt und Patient am Lebensende verstehen? Sie erörtert sinnlose und nutzlose Therapien, das Machbare und das Bezahlbare, die Patientenverfügung, den assistierten Suizid, die Nöte der Patienten wie der Ärzte. Und sie beschreibt, was Menschen auf dem Weg in den Tod hilft.
"Reden wir über das Sterben" hat einen Informationswert und eine Authentizität, die seinesgleichen suchen, und das Buch macht Mut, sich mit diesen letzten Fragen auseinanderzusetzen.
Fazit: lesenswert, wenn das Thema interessiert.
Dänischer Krimi 🇩🇰
Oxen Lupus *
von Jens Henrik Jensen, 592 S
Wenn es ein Tier gab, das ihn in seinen Bann zog, war das der Wolf. Der Geheimbund Danehof ist zerschlagen, doch der traumatisierte Ex-Elitesoldat Niels Oxen kämpft weiter mit seinen Sieben Dämonen. Für den Geheimdienstchef Axel Mossman soll er nun den vermissten Poul Hansen aufspüren. Die Suche führt ihn dorthin, wo er sich am besten auskennt: in den Wald. Anstatt nach Hansen Ausschau zu halten, interessiert er sich mehr für Wölfe - und trifft auf rätselhafte Spuren. Hansens Verschwinden scheint mit einer Entführung aus dem Jahr 1963 zusammenzuhängen. Und mit dem unaufgeklärten Fall, bei dem Oxens Partnerin Margrethe Franck ihr rechtes Bein verlor. Gemeinsam stellen Oxen und Franck Nachforschungen an. Aber das ruft dunkle Mächte auf den Plan.
Fazit: nicht fertig gelsen, da so langweilig.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Ohrfeige
von Abbas Khider, 224 S
Ein Flüchtling betritt die Ausländerbehörde, um ein letztes Mal seine zuständige Sachbearbeiterin aufzusuchen. Er ist wütend und hat nur einen Wunsch: dass ihm endlich jemand zuhört. Als Karim drei Jahre zuvor von der Ladefläche eines Transporters ins Freie springt, glaubt er in Frankreich zu sein. Bis dorthin hat er für seine Flucht aus dem Irak bezahlt. In Wahrheit ist er mitten in der bayerischen Provinz gelandet. Er kämpft sich durch Formulare und Asyl-unterkünfte bis er plötzlich seinen Widerruf erhält und abgeschoben werden soll. Jetzt steht er wieder ganz am Anfang. Dieser ebenso abgründige wie warmherzige Roman wirft eine der zentralen Fragen unserer Gegenwart auf: Was bedeutet es für einen Menschen, wenn er weder in der Heimat noch in der Fremde leben darf?
Fazit: dieses Buch ist sehr gut geschrieben, mir gefällt vor allem wie die Gefühle eines Asylanten beschrieben werden und natürlich die Aktualität des Themas.
Italienische Literatur 🇮🇹
Über Meereshöhe
von Francesca Melandri, 208 S
Im Jahr 1979 begegnen sich zwei Menschen, die scheinbar nichts miteinander gemein haben, auf einer italienischen Gefängnisinsel: Luisa, eine Bergbäuerin, die ihre fünf Kinder allein grosszieht, weil ihr Mann seinen Jähzorn nicht unter Kontrolle hatte, und Paolo, ein ehemaliger Lehrer, der nach wie vor nicht versteht, wie sein einziger Sohn zu einem Terroristen werden konnte.
Beide sind gekommen, um ihre Angehörigen zu besuchen. Luisa hat ihrem Mann Ravioli mitgebracht, damit er sie unter den Mithäftlingen verteilen kann. Paolo hofft darauf, überhaupt wieder eine Beziehung zu seinem Sohn herzustellen. Doch das Wiedersehen verläuft für beide enttäuschend und demütigend. Ein aufkommender Sturm zwingt sie, auf der Insel zu bleiben, und so beginnen sie zu sprechen. Die Bedeutung dieser Begegnung wird ihnen allerdings erst viele Jahre später bewusst werden...
Fazit: ein wunderbar schönes Buch, über die Menschlichkeit. Schon ihr Buch alle "ausser mir" hat mir so gut gefallen.
Italienische Literatur 🇮🇹
Die Marschallin *
von Zora del Buono, 382 S
Zora del Buono hat von ihrer Großmutter nicht nur den Vornamen geerbt, sondern auch ein Familienverhängnis, denn die alte Zora war in einen Raubmord verwickelt. Diese Geschichte und ihre Folgen bis heute erzählt dieser große Familienroman.
Die Slowenin Zora lernt ihren späteren Ehemann, den Radiologieprofessor Pietro Del Buono, am Ende des Ersten Weltkriegs kennen. Sie folgt ihm nach Bari in Süditalien, wo sie, beide überzeugte Kommunisten, ein großbürgerliches und doch politisch engagiertes Leben im Widerstand gegen den Faschismus Mussolinis führen. Zora ist herrisch, eindrucksvoll, temperamentvoll und begabt, eine Bewunderin Josip Broz Titos, dem sie Waffen zu liefern versucht und dem ihr Mann das Leben rettet. Sie will mehr sein, als sie kann, und drückt doch allen in ihrer Umgebung ihren Stempel auf. Ihr Leben und das Leben ihrer Familie, ihrer Kinder und Enkelkinder, vollziehen sich in einer Zeit der Kriege und der Gewalt, erbitterter territorialer und ideologischer Kämpfe, die unsere Welt bis heute prägen. In einem grandiosen Schlussmonolog erzählt die alte Zora Del Buono ihre Geschichte zu Ende, eine Geschichte der Liebe, der Kämpfe, des Hasses und des Verrats. "Die Marschallin" ist ein farbiger, lebenspraller Roman über eine unvergessliche Frau und ein tragisches Familienschicksal.
Fazit: dieses spannende Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist nicht einfach zu lesen, da es viele Rückblicke und Zeitsprünge gibt. Man muss sich auch für die italienische Politik und Geschichte interessieren.
Französische Literatur 🇫🇷
Dankbarkeit
von Delphine de Vigan, 176 S
Michka, die stets ein unabhängiges Leben geführt hat, muss feststellen, dass sie nicht mehr allein leben kann. Geplagt von Albträumen glaubt
sie ständig, wichtige Dinge zu verlieren. Tatsächlich verliert sie nach und nach Wörter, findet die richtigen nicht mehr und ersetzt sie durch ähnlich klingende. Die junge Marie, um die Michka
sich oft gekümmert hat, bringt sie in einem Seniorenheim unter. Der alten Frau fällt es schwer, sich in der neuen Ordnung einzufinden. In hellen Momenten leidet sie unter dem Verlust ihrer
Selbstständigkeit. Doch was Michka am meisten beschäftigt, ist die bisher vergebliche Suche nach einem Ehepaar, dem sie ihr Leben zu verdanken hat. Daher gibt Marie erneut eine Suchanzeige auf,
und Michka hofft, ihre tiefe Dankbarkeit endlich übermitteln zu können.
Klarsichtig und scharfsinnig zeigt Delphine de Vigan, was uns am Ende bleibt: Zuneigung, Mitgefühl, Dankbarkeit. Und zugleich würdigt sie in ›Dankbarkeiten‹ all diejenigen, die uns zu den
Menschen gemacht haben, die wir sind.
Fazit: unbedingt lesen, ein kleines, aber feines Buch über das Altern, ganz leise und zart geschrieben, ein Kleinod.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Irrland, eine Reportage *
von Margrit Sprecher, 272 S
Margrit Sprechers Reportagen zeichnen ein eindringliches Bild unserer heutigen Gesellschaft und halten für die Leserinnen und Leser
überraschende An- und Einsichten der unterschiedlichsten Art bereit.
Ihre Arbeit führt Margrit Sprecher um die ganze Welt: Sie reist von den Todestrakten Amerikas in das Gefängnis namens Gaza, von einem Luzerner Betagtenheim ins Muothatal und danach in die Weisse
Arena. Ihre Reportagen erzählen von den mehr als eine halbe Million Kühen, die für Theo Müller gemolken werden, und von der verkauften Zukunft eines Trendforschers. Und wie Irland in nur zwanzig
Jahren reich und wieder arm wurde.
Fazit: Tolle Reportagen von und über interessante Leute und Themen.
Demnächst
Amerikanische Literatur 🇺🇸
Porter Regina *
Die Reisenden, 384 S
Zwei Familien, zwei Hautfarben und die gemeinsame Sehnsucht nach Versöhnung: Von den Bürgerrechtsbewegungen bis zur Obama-Ära spannt Regina Porter ein schillerndes Zeitpanorama und verdichtet die Geschichte zweier Familien - die eine weiss, die andere schwarz - zu einem intimen und gegenwärtigen Familienepos.
Eine scharfsinnige Erkundung des heutigen Amerikas und der Traumata von Rassismus und Ungleichheit, die nach wie vor unsere Welt bewegen - erzählt von einer neuen aufregenden Stimme der Weltliteratur.
Fazit: ein gutes Buch, über frühere Zeiten, aber immer noch brandaktuell. Zum Lesen etwas kompliziert, oft auch nicht so spannend, darum musste ich mich durchbeissen. Unbedingt zu Beginn hinten im Buch die Personenliste konsultieren, sonst ist man total verloren.
Italienische Lireratur 🇮🇹
Ich bleibe hier
von Marco Balzani, 288 S
Ein idyllisches Bergdorf in Südtirol – doch die Zeiten sind hart. Von 1939 bis 1943 werden die Leute vor die Wahl gestellt: entweder nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Klasse in Italien zu bleiben. Trina entscheidet sich für ihr Dorf, ihr Zuhause. Als die Faschisten ihr verbieten, als Lehrerin tätig zu sein, unterrichtet sie heimlich in Kellern und Scheunen. Und als ein Energiekonzern für einen Stausee Felder und Häuser überfluten will, leistet sie Widerstand – mit Leib und Seele.
Fazit: dieses Buch hat mir sehr gut gefallen und auch berührt. Die knappe Sprache braucht es, um die vielen Ungerechtigkeiten in Kriegszeiten zu beschreiben, sonst wäre man nur am Weinen. Die Charaktere waren mir trotzdem nahe.
Britische Literatur 🇬🇧
Hotel du Lac *
von Anita Brookner, 240 S
Die 39-jährige Schriftstellerin Edith Hope wird von ihren Freunden ins Hotel du Lac am Genfer See verbannt. Dort soll sie über das schändliche Fehlverhalten nachdenken, das sie sich kurz zuvor geleistet hat, und zur Besinnung kommen. Uneinsichtig und trotzig reist Edith am Hotel du Lac an, das ihr trist und gähnend langweilig erscheint. Es nähert sich das Ende des Sommers, die Feriensaison ist vorbei, und auch sonst bietet der Ort nur wenig Ablenkung. Die einzigen anderen Gäste sind die wohlhabende, narzisstische Mrs. Pusey mit ihrer drallen Tochter, die einsame Mme de Bonneuil, die magersüchtige Monica mit ihrem bettelnden Schosshündchen, und der faszinierende Mr. Neville, der Edith von einer pragmatischen Sicht auf die Liebe überzeugen möchte ...
Fazit: hatte keine Nerven dieses Buch fertig zu lesen.
Amerikanische Literatur 🇺🇸
Der Gesang der Flusskrebse
von Delia Owens, 464 S
Ein schmerzlich schönes Debüt, das eine Kriminalgeschichte mit der Erzählung eines Erwachsenwerdens verbindet und die Natur feiert.” The New York Times.
Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Delia Owens erzählt intensiv und atmosphärisch davon, dass wir für immer die Kinder bleiben, die wir einmal waren. Und den Geheimnissen und der Gewalt der Natur nichts entgegensetzen können.
Fazit: schöne Ferienlektüre, aber auch nicht mehr, trotz Spiegel Bestseller.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Stern III *
Von Lutz Seiler, 528 S
Zwei Tage nach dem Fall der Mauer verlässt das Ehepaar Bischoff sein altes Leben – die Wohnung, den Garten, seine Arbeit und das Land. Ihre Reise führt die beiden Fünfzigjährigen weit hinaus: Über Notaufnahmelager und Durchgangs-wohnheime folgen sie einem lange gehegten Traum, einem »Lebensge-heimnis«, von dem selbst ihr Sohn Carl nichts weiss. Carl wiederum, der den Auftrag verweigert, das elterliche Erbe zu übernehmen, flieht nach Berlin. Er lebt auf der Strasse, bis er in den Kreis des »klugen Rudels« aufgenommen wird, einer Gruppe junger Frauen und Männer, die dunkle Geschäfte, einen Guerillakampf um leerstehende Häuser und die Kellerkneipe Assel betreibt. Im U-Boot der Assel schlingert Carl durch das archaische Chaos der Nachwendezeit, immer in der Hoffnung, Effi wiederzusehen, die einzige Frau, in die er je verliebt gewesen war.
Ein Panorama der ersten Nachwendejahre in Ost und West, ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse: Nach dem prämierten Bestseller Kruso führt Lutz Seiler die Geschichte in zwei grossen Erzählbögen fort – in einem Roadtrip, der seine Bahn um den halben Erdball zieht, und in einem Berlin-Roman, der uns die ersten Tage einer neuen Welt vor Augen führt. Und ganz nebenbei wird die Geschichte einer Familie erzählt, die der Herbst 89 sprengt und die nun versuchen muss, neu zueinander zu finden.
Fazit: konnte das Buch nicht zu Ende lesen. So viele lange langweilige Beschreibungen.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Palast der Stille *
von Hansjörg Schertenleib, 176 S
Ein kleines Cottage auf einer Insel vor der Ostküste Amerikas, mitten im Winter, in der Stille. Ein Mann schaufelt Schnee, redet mit seiner Katze, beobachtet Vögel, geniesst die Langeweile und zieht Bilanz über sein bisheriges Leben und Schaffen. Später macht er sich auf den Weg durch den tief verschneiten Wald zu der Kiefer, in deren Krone er einen Ausguck hat: die Welt zu schauen, die Natur, sich selbst. »Mit wem reden wir, wenn wir allein sind? Mit uns selbst, wenn wir es können.« Hansjörg Schertenleib erzählt von den Segnungen der Stille, selbst gewählter Einsamkeit und von der Liebe, der Liebe zu den Tieren, zur Natur – und zu den Büchern. Eindringlich, wahrhaftig und schwebend leicht.
Fazit: ein stilles Buch, das zum Nachdenken anregt.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Keiths Probleme mitdem Jenseits *
von Linus Reichlin, 257 S
Fred Hundt, 59, Quantenphysiker und Hobbygitarrist, sitzt gerade bei einem Blind Date als er vom Tod
von Keith Richards erfährt. Die Nachricht trifft ihn hart. Der Leadgitarrist der Rolling Stones tot? Sein Lieblingsmusiker, sein Idol, «The Human Riff» mit dem breiten Grinsen, den knotigen
Händen und dem unverwechselbaren Faltengesicht? Nein, das kann nicht sein! Fred lässt Date und Drink stehen, geht nach Hause und trauert. Tags darauf erhält Fred einen aufgeregten Anruf von Ben
Harper, einem alten Urlaubsfreund. Ben ist Promi-Arzt in Kalifornien und steckt gerade in ernsten Schwierigkeiten. Er braucht Freds Expertise in Sachen Wahrscheinlichkeitstheorie. Es handelt sich
um eine äusserst delikate Angelegenheit betreffend Keith Richards Tod, über die absolutes Stillschweigen zu wahren ist. Fred fängt sofort Feuer und sitzt in den nächsten Flieger nach New York.
Was er zu diesem Zeitpunkt nicht weiss: die Reise führt weiter auf eine Karibik-Insel, wo ihn das grösste Abenteuer seines Lebens erwartet.
Fazit: Für dieses Buch braucht es sehr viel Humor und eine Vorliebe für die Rollingstones und deren Musik. Dann hat man Spass und kann das Buch geniessen.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Im Schatten der Flügel *
von Hansjörg Schertenleib, 256 S
Die pensionierte Schweizer Kriminal- polizistin Corinna Holder hat auf Spruce Head Island in Maine eine zweite Heimat gefunden und ist mit ihrem neuen Freund Jake Blake glücklich. Da wird auf ihrer Insel ein Mann erschossen, und kurz darauf verschwindet ein sechsjähriges Mädchen. Privatdetektiv Matt Dennison bittet Corinna bei der verzweifelten Suche nach dem Mädchen um Mithilfe. Eine verheissungsvolle Spur führt ins Milieu rechtsextremer Frauenverachter, die offenbar Drogengeschäfte abwickeln. Dass der Bruder von Corinnas bester Freundin in die Sache verwickelt ist, macht die Sache für sie nicht einfacher. Der zweite Fall, den Corinna Holder in Maine zu lösen hat, spielt in einer dramatischen Landschaftskulisse und erzählt von Menschen, die einem nach Die Hummerzange bereits ans Leserherz gewachsen sind.
Fazit: schöner Ferienkrimi.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Das Leben ist ein wilder Garten *
von Roland Buti, 176 S
Das beschauliche Leben des Landschaftsgärtners Carlo gerät in Aufruhr. Seine Frau hat ihn verlassen, die Tochter studiert jetzt in London. Agon, sein Hilfsgärtner aus dem Kosovo, eine sensible Seele in einem massigen Körper, wird aus heiterem Himmel zusammengeschlagen. Und dann ist plötzlich Carlos demente Mutter verschwunden. Gemeinsam mit Agon macht er sich auf die Suche und entdeckt nicht nur die Natur und die Menschen um ihn herum neu, sondern kommt in einem Grandhotel am Berg der ungeahnt glamourösen Vergangenheit seiner Mutter während des Zweiten Weltkriegs auf die Spur ... Wir sind Roland Butis Figuren ganz nah. Ihre Gesichter, ihre Bewegungen werden uns vertraut. Wir leben und fühlen mit ihnen. Das ist Butis grosse Kunst.
Das Leben ist ein wilder Garten.
Fazit: Schon sein 1914 erschienenes Buch „Das flirren am Horizont“ hat mir sehr gut gefallen. Hier nun ein feinfühliges Buch mit plastischen Beschreibungen, die einem in „frühere Zeiten“ abtauchen lassen und wieder zurück in die Gegenwart. Zwischndurch lässt auch ein feiner Humor durchblicken. Unbedingt lesen, wenn man sich auf ruhige Gewässer einlassen kann.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Kalmann *
Von Joachim B. Schmidt, 352
Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Kein Grund zur Sorge. Tag für Tag wandert er über die weiten Ebene um das beinahe ausgestorbene Dorf, jagt Polarfüchse und legt Haiköder im Meer aus, um den Fang zu Gammelhai zu verarbeiten. Doch in Kalmanns Kopf laufen die Räder manchmal rückwärts. Als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, überrollen ihn die Ereignisse. Mit seiner naiven Weisheit und dem Mut des reinen Herzens wendet er alles zum Guten. Kein Grund zur Sorge.
Fazit: ein Schweizer Autor der seit 2007 in Island wohnt, schreibt einen Islandroman. Das ist ja schon eine spezielle Konstellation. Aber auch der Romanheld mit seinen speziellen Gedankengängen ist speziell. Anfangs denkt man noch das ist doch absurd, doch mit der Zeit wächst der „Sheriff von Raufahöfn“ einem ans Herz. Das fulminante Ende ist dann doch eine rechte Überraschung und ein Lesevergnügen.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Anna der Indianer *
von Livia Anne Richard, 144 S
Anna ist vier Jahre alt, als ihr auf einen Schlag klar wird, warum sie beim Cowboy- und Indianerspiel immer die Squaw spielen muss, wo sie doch viel lieber der Chefindianer wäre. Weil sie ein Mädchen ist. Anna beschliesst, fortan als Winnetou durch die Welt zu gehen. Bis sie im Austauschjahr in Kalifornien Namid kennenlernt. Mit ihm würde sie gern schlafen, doch der Indianer in ihr meldet sich zu Wort und ist dagegen. Um den Indianer loszuwerden, spielt Anna eine Frau. Was nicht leicht ist, denn als Indianer hast du den Reflex, jedem eins über die Rübe zu ziehen, der dir an die Rothaut will. Erst als Anna sich Hals über Kopf in den viel älteren Nico verliebt, hat sie das, was sie so sehr gesucht hat: keine Angst mehr vor körperlicher Nähe. Ein Gefühl für ihr Frau-Sein. Doch was ist mit diesem Nico? Was stimmt da nicht?
Fazit: eine wunderbar geschriebene Geschichte über das Erwachsenwerden.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Im Fallen lernt die Feder fliegen *
von Usama Al Shahmani, 240 S
Die irakischstämmige Aida verleugnet ihre Herkunft, was immer
wieder zu Streit mit ihrem Freund führt. In ihrer Not setzt sie sich hin und beginnt aufzuschreiben, was sie nicht sagen kann. Geboren in einem iranischen Flüchtlingslager, kam sie mit ihren
Eltern und der älteren Schwester in die Schweiz. Die Mädchen gehen zur Schule, aber ihre Eltern kommen mit dem westlichen Alltag nicht zurecht und verklären mehr und mehr ihre Heimat. Der Vater,
ein konservativer Theologe, beschliesst schliesslich, mit der ganzen Familie in den Irak zurückzukehren. Aber was für die Eltern die Heimat ist, die sie einst verlassen haben, ist für die beiden
Schwestern ein fremdes Land. Als die Ältere verheiratet werden soll, fliehen sie nun ihrerseits und gelangen als unbegleitete Minderjährige in die Schweiz. Aber auch sie lässt die Vergangenheit
nicht los.
Wieder gelingt es Usama Al Shahmani, vielschichtig von der
grossen inneren Anstrengung von Flüchtlingen bei ihren Integrationsbemühungen zu erzählen und dabei immer ein Fenster zur Hoffnung offenzulassen. Und nicht zuletzt überwindet er selbst die Mühsal
des Exils durch das Verschmelzen der arabischen mit der westlichen Kultur im Erzählen.
Fazit: hier wird ein Flüchtlingsschicksal durch eine feine und spezielle Gestaltung der Geschichte aufgerollt. Schöne Sprache, neue Erkenntnisse – sehr zu empfehlen.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Abschiedsfarben *
von Bernhard Schlink, 240 S
Über das Gelingen und Scheitern der Liebe, über Vertrauen und Verrat, über bedrohliche und bewältigte Erinnerungen und darüber, wie im falschen Leben oft das richtige liegt und im richtigen das falsche. Geschichten von Menschen in verschiedenen Lebensphasen und ihren Hoffnungen und Verstrickungen. »Liebe und mache, was du willst« ist kein Rezept für ein gutes Ende, aber eine Antwort, wenn andere Antworten versagen.
Fazit: Hier sind Kurzgeschichten versammelt, was das Lesen von ellenlangen Texten erspart. Aber Achtung: die Geschichten haben es in sich. Da kommt man schon mal ins Schaudern und Grübeln und zwischendurch ist es auch eine Spur kitschig. Bernhard Schlinks Sprache kennt man ja schon von seinen vorangegangenen Bücher und den muss man mögen, sonst klappt es mit diesem Buch nicht. Mir hat es gefallen, gut, solide, lesenswert.
Oesterreichisch / Schweizerische Literatur 🇦🇹🇨🇭
Mutter. Chronik eines Abschieds *
Melitta Breznik, 160 S
Fazit: dieses Buch hat mich tief berührt. Wenn man sich mit dem Leben und Sterben auseinandersetzen möchte, muss man dieses Buch lesen. Sehr fein geschrieben, auch über schöne- und auch unschöne Themen und gar nicht sentimental.
Dänisch/Deutsche Literatur 🇩🇪
Die Frauen von Skagen *
Von Stina Lund, 336 S
Die legendäre Künstlerkolonie im dänischen Skagen - mit Malern wie Anna und Michael Ancher, Marie und Peder Severin Krøyer - bildet Hintergrund und Schauplatz des neuen Romans von Stina Lund ("Preiselbeertage"). Vibeke soll in die Frankfurter Farbenfabrik ihres Vaters einsteigen - doch mehr noch als den Farben gehörte ihr Herz schon immer der Kunst. Gegen den Willen des Vaters geht sie ins dänische Skagen, um dort Malerei zu studieren. In dem Café, in dem sie arbeitet, entdeckt sie ein Bild, von dem sie glaubt, es sei ein unbekanntes Werk der von ihr verehrten Malerin Marie Krøyer. Zusammen mit dem charismatischen Besitzer Thore will sie mehr herausfinden. Skagen, Ende des 19. Jahrhunderts: Die junge Asta ist im Haushalt der Triepkes als Gesellschafterin für Tochter Marie angestellt. Marie Triepke hat das große Glück, dass ihr schöpferisches Talent von ihrer Familie zu einer Zeit gefördert wird, in der Frauen eine künstlerische Laufbahn fast unmöglich ist. Als sie dem faszinierenden Maler Peder Severin Krøyer Modell steht, ist das der Beginn einer dramatischen Liebes- und Schicksalsgeschichte, die nicht nur Maries und Astas Leben, sondern die bildende Kunst Europas prägen wird.
Fazit: die Geschichte ist mir ans Herz gewachsen und bringt mir die Kunst um die dänische Künstlerkolonie Skagen näher und macht richtig Lust dort einmal vorbei zu schauen. Die Romanfiguren mi ihren Geschichten hingegen fand ich etwas kitschig. Ich dachte zuerst an Ferienlektüre, musste jedoch doch mehr Tiefgang feststellen und auch wie die zwei Geschichtsebenen geschickt miteinander verbunden sind, hat mir gefallen.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Über den Winter *
von Rolf Lappert, S 382
Lennard Salm ist fünfzig und als Künstler weltweit durchaus erfolgreich. Als seine älteste Schwester stirbt, kehrt er zurück nach Hamburg und in die Familie, der er immer entkommen wollte. So schnell wie möglich will er wieder zurück in sein eigenes Leben. Aber was ist das, das eigene Leben? Salms jüngere Schwester Bille verliert ihren Job, sein Vater nähert sich immer schneller der Hilflosigkeit. Einen funkelnden Winter lang entdeckt Salm, dass niemand jemals alleine ist. Er lernt seine Eltern und Geschwister neu kennen. Rolf Lappert erzählt vom Wunder der kleinen Dinge und von dem, was heute Familie bedeutet. Jedes Detail leuchtet in diesem zarten, grossen Familienroman.
Fazit: ein wunderbar feiner Roman, ruhig und melancholisch wird vom Alter, Tod und von einer Selbstfindung erzählt.
Demnächst
Schweizer Literatur 🇨🇭
Späte Gäste *
Von Gertrud Leutenegger, 174 S
Ein Dorf nahe der italienischen Grenze. Spät am Abend ist die Erzählerin nach einer Todesnachricht dort eingetroffen. Orion ist gestorben, mit dem sie viele Jahre ihres Lebens geteilt hat, ehe sie mit dem Kind die Flucht ergriff. Sie will die Nacht vor der Totenmesse im Wirtshaus am Waldrand zubringen, einer ehemals herrschaftlichen Villa. Doch diese ist wie ausgestorben, der sizilianische Wirt verreist, die Wirtschafterin wie jedes Jahr zur Fasnacht im Ort jenseits der Grenze, wo sich die Dorfbewohner als »Schöne und Hässliche« verkleiden. Zwar findet sie Zuflucht im unverschlossenen Gartensaal, wo sie früher oft zusammengesessen haben. Doch aufgestört von beunruhigenden Berichten aus dem benachbarten Tal, bedrängt von Erinnerungen an Orion und von Bildern aus der Kindheit, gerät die Erzählerin in einen zwischen Nachtwache und Schlaf oszillierenden Zustand. Nicht nur Szenen aus der Vergangenheit suchen sie heim, gegen Morgen tauchen auch maskierte Gestalten auf, die sie zugleich erschrecken und anziehen.
Fazit: sehr kompliziert, nicht fertig gelesen.
Deutsche Literatur 🇩🇪
Das kann uns keiner nehmen *
von Matthias Politycki, 304 S
Am Gipfel des Kilimandscharo: Hans, ein so zurückhaltender wie weltoffener Hamburger, ist endlich da, wo er schon ein halbes Leben lang hinwollte. Hier, auf dem Dach von Afrika, will er endlich mit seiner Vergangenheit ins Reine kommen. Doch am Grunde des Kraters steht bereits ein Zelt, und in diesem Zelt hockt der Tscharli, ein Ur-Bayer – respektlos, ohne Benimm und mit unerträglichen Ansichten.
In der Nacht bricht ein Schneesturm herein und schweisst die beiden wider Willen zusammen. Es beginnt eine gemeinsame Reise, unglaublich rasant und authentisch erzählt, wie das nur Politycki kann, gespickt mit absurden und aberwitzigen Abenteuern. Als sich die beiden schliesslich die Geschichte ihrer grossen Liebe anvertrauen, erkennen sie, dass sie mit dem Leben noch eine Rechnung offen haben. Doch der Tod fährt in Afrika immer mit, und nur einer der beiden wird die Heimreise antreten.
Fazit: ein ganz spezielles Buch. Zu Beginn denkt man, will ich mir das antun und dieses Buch wirklich weiterlesen. Doch der Sog kommt und plötzlich ist man versöhnt. Doch das Ende kommt immer näher und zwar ganz „dicke“.
Kanadische Literatur 🇨🇦
Das weite Herz des Landes *
von Richard Wagamese, 288 S
Als der sechzehnjährige Franklin Starlight herbeigerufen wird, um seinen Vater Eldon, den er kaum kennt, zu besuchen, trifft er auf einen vom Alkohol gezeichneten, dem Tode geweihten Mann. Die beiden machen sich auf den Weg durch das raue Herzland British Columbias und auf die Suche nach einer letzten Ruhestätte, wo Eldon nach Art der indianischen Krieger beerdigt werden will. Auf der Reise erzählt der Vater dem Sohn seine Lebensgeschichte, die Momente der Verzweiflung genauso wie die Tage der Hoffnung und des Glücks - und so entdeckt Franklin eine Welt, die er nicht kannte, eine Geschichte, die ihm fremd war, und ein Erbe, das er hüten kann.
Fazit: ein sehr schönes und berührendes Buch.
Italienische Literatur 🇮🇹
Eva schläft
Von Francesca Mandri, 440 S
Nur einmal in ihrem Leben konnte sich meine Mutter Gerda der Liebe eines Mannes gewiss sein, und ich der eines Vaters. All die anderen kamen und gingen wie ein Wolkenbruch im Sommer. Francesca Melandri, geboren in Rom, hat sich in Italien zunächst als Autorin von Drehbüchern wichtiger Kino- und Fernsehfilme einen Namen gemacht (u. a. "Prinzessin Fantaghirò"). Mit ihrem ersten Roman "Eva schläft" wurde sie auch einem breiten deutschsprachigen Lesepublikum bekannt. Ihr zweiter Roman "Über Meereshöhe" wurde von der italienischen Kritik als Meisterwerk gefeiert. Ihr drittes Buch "Alle, ausser mir" wurde für den Premio Strega nominiert.
Fazit: ein Buch genau nach meinem Geschmack, könnte 2021 unter meine Bestenliste kommen. Eine spannende Familiengeschichte vor einem historisch- politisch- interessanten Hintergrund von 1919-1979 . Da war das Süditrol ein Spielball der Politik. Heute kaum zu glauben, wie es da zuging. Spannend und berührend geschrieben. Die beiden obenerwähnten Bücher habe ich auch mit Begeisterung gelesen
Deutsche Literatur 🇩🇪
Die Mittagsfrau
von Julia Franck, 604 S
Ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2007
1945. Flucht aus Stettin in Richtung Westen. Ein kleiner Bahnhof irgendwo in Vorpommern. Helene hat ihren siebenjährigen Sohn durch die schweren Kriegsjahre gebracht. Nun, wo alles überstanden
ist, lässt sie ihn am Bahnsteig zurück und kehrt nie wieder ...
Fazit: ein sehr schönes aber auch trauriges Buch, wunderbar erzählt.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Das Licht hinter den Bergen
von Thomas Röthlisberger, 304 S
Die Welt gerät aus den Fugen, sagt der Lehrer, als Deutschland 1939 in Polen einmarschiert. In der Schweiz, in einem Hochtal in Graubünden, wo Anton Marxer seit Jahren unterrichtet, sind die Grenze und das Ausland nahe, aber Polen weit weg. Und doch dringt das Weltgeschehen in das Tal ein, ins Schulhaus über dem Dorf, wo der Vierzigjährige seine Frau pflegt, die einen Hirnschlag erlitten hat: Anna Schwarz, eine fremde junge Frau, steht eines Abends vor der Tür. Sie ist aus dem Vorarlbergischen geflüchtet und nachts über den alten Säumerpass gekommen, nachdem man ihren Mann deportiert und angeblich auf der Flucht erschossen hat. Marxer nimmt die Frau auf, widerwillig, und versucht zuerst, ihre Anwesenheit vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Natürlich ist das auf die Länge nicht möglich. Die Ehefrau merkt es, die Haushälterin, die den Lehrer bei der Pflege und im Haushalt unterstützt, und sehr rasch auch die Schüler. Marxer ist hin- und hergerissen zwischen Pflicht und Gewissen, verstrickt sich zusehends und gerät in Erklärungsnotstand.
Fazit: ein wirklich gutes Buch, mit einer eindrlinglichen Sprache.
Kanadische Literatur 🇨🇦
Volkswagen Blues
von Jacques Poulin, 256 S
Der kanadische Kultroman über eines der schönsten und ungewöhnlichsten Paare der Literatur, das in einem alten VW-Bus von Québec bis nach San Francisco fährt, ist unvergesslich.
Der Zufall führt sie zusammen. Jack Waterman, ein schweigsamer Träumer in der Schreibkrise, auf der Suche nach seinem Bruder Théo. Und die Halb-Innu Pitsémine, rastlos und lesewütig, wegen ihrer langen, dünnen Beine auch die Grosse Heuschrecke genannt. Mit einer Nähe, die nur Fremde verbindet, tun sie sich zusammen. Sie sichten alte Karten und Bücher, suchen das traurigste Chanson der Welt, und durchqueren auf Théos Spur in Jacks altem VW-Bus den Kontinent, von Québec bis San Francisco. Mit seinem Kultroman über eines der ungewöhnlichsten Paare der Literatur ist der gefeierte kanadische Autor Jacques Poulin endlich auch hier zu entdecken. Eine Roadnovel voller Weite, erzählt mit feinem Witz und einer seltenen Wärme.
Fazit: eine wunderbare Geschichte mit viel Geschichte über die Ureinwohner Kanadas und die USA.
Kanadische Literatur 🇨🇦
Volkswagen Blues
von Jacques Poulin, 256 S
Der kanadische Kultroman über eines der schönsten und ungewöhnlichsten Paare der Literatur, das in einem alten VW-Bus von Québec bis nach San Francisco fährt, ist unvergesslich.
Der Zufall führt sie zusammen. Jack Waterman, ein schweigsamer Träumer in der Schreibkrise, auf der Suche nach seinem Bruder Théo. Und die Halb-Innu Pitsémine, rastlos und lesewütig, wegen ihrer langen, dünnen Beine auch die Grosse Heuschrecke genannt. Mit einer Nähe, die nur Fremde verbindet, tun sie sich zusammen. Sie sichten alte Karten und Bücher, suchen das traurigste Chanson der Welt, und durchqueren auf Théos Spur in Jacks altem VW-Bus den Kontinent, von Québec bis San Francisco. Mit seinem Kultroman über eines der ungewöhnlichsten Paare der Literatur ist der gefeierte kanadische Autor Jacques Poulin endlich auch hier zu entdecken. Eine Roadnovel voller Weite, erzählt mit feinem Witz und einer seltenen Wärme.
Fazit: eine wunderbare Geschichte mit viel Geschichte über die Ureinwohner Kanadas und die USA.
Schweizer Literatur 🇨🇭
Von schlechten Eltern
von Tom Kummer, 245 S
Von schlechten Eltern ist ein grandioses Buch. Road-Novel, Heimatroman, Gespenstergeschich-te, Thriller, wobei der Schriftsteller selbst lieber von einer Meditation spricht und es damit wohl am besten trifft. [...] "Von schlechten Eltern" ist eine halluzinative Autofiktion aus der Zwischenwelt der Trauer. Sie fesselt den Leser durch einen frivol kalkulierten Thrill an die zutiefst introvertierte Erzählung eines vom Schmerz verschnürten Überlebens. Kein Plot, ein Zustand.
Fazit: nichts für Leseanfänger, aber sehr faszinierend.